Urteil kostet Attac die Gemeinnützigkeit

Dieses Urteil des Bundesfinanzhofes sorgt für mächtig Wirbel bei Vereine, Verbänden und Wohlfahrtsorganisationen. Den Globalisierungskritikern von Attac wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das kann für alle Betroffenen weitreichende Folgen haben. Deshalb gibt es jede Menge Kritik an der Entscheidung der Richter.

 

Dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt die Gemeinnützigkeit aberkannt. Die von Attac geführten politischen Kampagnen seien keine gemeinnützige politische Bildungsarbeit, so die Richter.

 

Diese Entscheidung des BFH sorgte jetzt für mächtig Wirbel bei den anderen Wohlfahrtsorganisationen. „Diese Entscheidung weist in eine falsche Richtung. In einer lebendigen Demokratie muss es immer Raum geben für eine kritische Zivilgesellschaft“, sagt Christian Weis, Geschäftsführer der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International, die in Frankfurt ihren Sitz hat. Das müsse für Attac genauso gelten wie für andere Organisationen. Die enge Interpretation des gemeinnützigen Zwecks „Volksbildung“ durch die Richter gefährde nach Meinung von Weis tausende Vereine und Stiftungen, die aus einer Haltung heraus Bildungsarbeit hierzulande machten. „Das ist nicht hinnehmbar“, so Weis. So könne zum Beispiel einem Obst- und Gartenbauverein das weltweite Bienensterben nicht gleichgültig sein, er sollte sich deshalb auch ins politische Tagesgeschäft einmischen und auf die Gefahren hinweise dürfen. „Wenn das Gesetz so ausgelegt werden kann, wie das hier der Fall war, dann muss sich der Bundestag der wichtigen Funktion zivilgesellschaftlicher Organisationen in einer liberalen Demokratie widmen“, sagt Weis. 

 

"Derzeit keine Gefahr"

 

Durch das Urteil gegen die Globalisierungskritiker von Attac sieht sich der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen „derzeit keiner Gefahr“ ausgesetzt, wie der Verbandssprecher Phillip Stielow erklärt.

 

Für ihn habe aber die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für jede gemeinnützige Organisation in Deutschland weitreichende Folgen. „Es würde bedeuten, dass die betroffene Organisation sich steuerrechtlich völlig neu aufstellen müsste. Dies wäre wahrscheinlich grundsätzlich eine große Herausforderung und schwer zu bewältigen“, so der VdK-Sprecher.

Dass sein Verband auch tagespolitisch aktiv wird, steht für Stielow außer Frage. Der VdK vertrete die Interessen seiner Mitglieder, zum Beispiel die von Menschen mit Behinderungen, und setzt sich für einen starken Sozialstaat ein. „Dies bedeutet, dass wir uns sozialpolitisch engagieren und zu Wort melden“, so Stielow.

 

Nicht abschließend entschieden 

 

Wie sehr viele andere Organisationen auch gehört Attac zum Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Dachverband der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. „Wir bedauern sehr, dass durch das Urteil des BFH mit Attac ein seriöser und bewährter Partner zivilgesellschaftlicher Bündnisse und Kampagnen mit einer steuerrechtlichen Argumentation politisch geschwächt worden ist“, sagt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Er macht aber auch darauf aufmerksam, dass der BFH nicht abschließend entschieden habe, sondern den „Fall Attac“ an das Finanzgericht Hessen zurückverwiesen habe. Der BFH habe ausdrücklich, so Rosenbrock weiter, die politische Betätigung von gemeinnützigen Vereinen bestätigt. Sie müsse nach Auffassung des Gerichts aber einem der in der Abgabenordnung genannten gemeinnützigen Zwecken dienen.

 

Tagespolitik eingeschlossen

 

Der Entzug der Gemeinnützigkeit und der mit ihr verbundenen steuerrechtlichen Vorteile würde die Freie Wohlfahrtspflege in ihrer Existenz treffen und damit den Bereich der sozialen Versorgung veröden lassen, sagt Rosenbrock. „Zudem würde der Fortfall der Gemeinnützigkeit gewinnwirtschaftlichen Unternehmen auf den Feldern der Pflege, der Kitas und generell in der sozialen Arbeit entscheidende Vorteile bringen, mit gesellschaftlich höchst unerwünschten Folgen“, so der Verbandsvorsitzende. Als Wohlfahrtsverband sehe man sich darüber hinaus berechtigt und sogar verpflichtet, sozial und politisch benachteiligten Menschen eine Stimme in der Öffentlichkeit zu geben. Damit sei auch die Kommentierung der Tagespolitik mit eingeschlossen. mei

 

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