Viele Vorschläge für die Reform des Arbeitsmarktes

Was wird aus Hartz IV? Das Herzstück der Arbeitsmarktreform, unter der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung unter der Führung von Gerhard Schröder, sorgt immer wieder für Diskussionsstoff. Das Münchner ifo-Institut hat jetzt einmal die Positionen von Wissenschaftlern und dem Grünen-Chef, Robert Habeck, zusammengestellt. Wir dokumentieren ihre Meinungen.

 

Philip Jung, TU Dortmund, und Moritz Kuhn, Universität Bonn, halten eine einfache Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, wie unter anderem von der SPD vorgeschlagen, für ungeeignet. Diese Maßnahme führe zu mehr Entlassungen und weniger Neueinstellungen und in der Folge zu einer höheren durchschnittlichen Belastung aller Arbeitnehmer durch Sozialabgaben. Damit begünstige man ältere Arbeitnehmer mit relativ stabilen Jobs zulasten von jüngeren Arbeitnehmern und von Arbeitnehmern mit instabileren Arbeitsverhältnissen.

 

Anke Hassel, WSI – Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliches Institut, regt an, 15 Jahre nach der größten Arbeitsmarktreform der Nachkriegszeit, die Arbeitsmarktpolitik neu zu justieren. Sie verweist auf eine neue Studie, die zeigt, dass die Hartz-Reform zwar die Dauer von Arbeitslosigkeit, nicht aber den Umfang, reduziert habe. Die Pläne, die derzeit auf dem Tisch liegen, könnten dabei helfen, die Beschäftigten stärker an der positiven Wirtschaftsentwicklung zu beteiligen und würden den heutigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung tragen.

 

Robert Habeck, Bündnis 90/Die Grünen, plädiert dafür, bei den veränderten Rahmenbedingungen anzusetzen. Anders als bei der Einführung von Hartz IV sei nicht mehr die Massenarbeitslosigkeit, sondern der Fachkräftemangel das Problem. Heute sei die Herausforderung nicht mehr der Stillstand, sondern der Wandel, die wichtigste politische Aufgabe nicht mehr die Haushaltskonsolidierung, sondern der gesellschaftliche Zusammenhalt. Kern einer funktionierenden Sozialgemeinschaft sei, dass der lebensnotwendige Bedarf abgesichert sei und niemand in Gefahr gerate, an den Rand der Gesellschaft zu rutschen. Um das zu erfüllen, brauche es ein neues staatliches Garantiesystem, das zur Arbeit anreizt und den Niedriglohnsektor eindämmt.

 

Matthias Knuth, Institut Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen, hält die Vorschläge der SPD für »durchaus diskussionswürdige Denkanstöße, aber nicht für eine Blaupause« für eine praktikable »Reform der Reform«. Man sollte die Arbeitslosenversicherung nicht zugunsten der Insider im System verändern, indem man die Bezugsdauern des Arbeitslosengeldes verlängere. Die Schonung von Vermögen und der Erhalt des Wohnstandards in einer Eingangsphase der Grundsicherung für alle, deren ALG-Anspruch ausgelaufen sei, wäre ein Ansatz, der aber auf ein Jahr begrenzt werden sollte.

 

Alexander Spermann, FOM Hochschule für Erwerbstätige in Köln, fordert »mutige und langfristige Experimente, nicht nur Mikrosimulationen«, die in der Regel allen Reformvorschlägen zugrunde liegen. Diese seien mit Vorsicht zu genießen. Die vorgelegten Zahlen erweckten den Eindruck, man könne Verhalten von Menschen exakt berechnen. Die Realität habe aber noch deutlich mehr Variablen als die im Modell berücksichtigten. Tatsächlich könnten Elemente eines bedingungslosen Grundeinkommens langfristig zu geringen fiskalischen Kosten getestet werden.

 

Hans Peter Grüner, Universität Mannheim, diskutiert die wirtschaftliche Interessenlage – sowohl von Seiten der Gewerkschaften als auch von Seiten der Arbeitgeberverbände – hinter dem fortdauernden Streit um die Hartz-Gesetzgebung und zeigt, dass eine Weiterentwicklung der Reform politisch wohl eher tragfähig ist, wenn die Reformgewinne breiter verteilt werden.

 

Maximilian Blömer, Clemens Fuest und Andreas Peichl, ifo Institut, stellen einen ifo-Reformvorschlag vor. Dieser konzentriert sich darauf, die Beschäftigungsanreize des Grundsicherungssystems zu verbessern. Ziel des Vorschlages ist es, Fehlanreize abzubauen, die Empfänger von Grundsicherung derzeit daran hindern, höhere eigene Einkommen zu erzielen und die Abhängigkeit von Transfers zu überwinden oder wenigstens zu reduzieren. Zum anderen vergleichen sie den ifo-Vorschlag mit anderen aktuell diskutierten Reformkonzepten. mei