Ökologischer Landbau schafft Vielfalt

Der ökologische Landbau tritt immer mehr in den Fokus. Viele Verbraucher wollen nämlich auch beim Discounter nicht mehr auf "Bio"verzichten. Der Markt reagiert auf diese Wünsche. Auch die Bundesregierung, hier vor allem Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), legt sich bei diesem Thema mächtig ins Zeug. Wie steht es um den ökologischen Landbau und die deutsche Landwirtschaft. Ein Gespräch mit dem Biobauern Paul Erich Etzel.

 

Herr Etzel, Sie sind seit Jahrzehnten Landwirt aus Leidenschaft. Wie geht es den deutschen Bauern heute?  

 

PAUL ERICH ETZEL: Ich kann vorab sagen und möchte unseren Bundespräsidenten Steinmeier zitieren, der gesagt hat, zu einer guten Infrastruktur auf dem Lande gehören auch die Bauern. Da hat er recht, denn das ist Bleibe-Vorsorge für die Menschen auf dem Lande. Aber in unserer Region, dem Taunus, gibt es nur wenige aktive Landwirte. Sie gehen lieber ins Rhein-Main Gebiet, weil sie dort auf angenehmere Weise ihr Einkommen sichern und leben können. Die Wiedervereinigung war im Übrigen der eigentliche Sargnagel für die kleinbäuerliche Landwirtschaft im Westen und Südwesten.  In der ehemaligen DDR blieben die Großstrukturen bestehen und gaben der industriellen Landbewirtschaftung beste Produktionsbedingungen. In Frankreich gab es ähnlich große Betriebe. Letztlich haben diese Großbetriebe dafür gesorgt, dass die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse in den 1990er-Jahren in den Keller gingen und viele Landwirte nur durch die Prämienzahlung ihr Einkommen hatten. 

 

Wie sah es denn früher aus, als sie Landwirt wurden? 

 

ETZEL: Bleiben wir einmal in meinem Dorf Wehrheim. Hier gab es zu früheren Zeiten bis zu 200 Milcherzeuger, heute haben wir hier nur noch einen. Und Früher arbeiteten bis zu 15 Menschen auf einem 50-Hektar-Betrieb. Das macht heute einer mit maschineller Hilfe im Nebenerwerb. 

 

Was war denn nach dem zweiten Weltkrieg die zentrale Aufgabe der Bauern? 

 

ETZEL: Die wichtigste Aufgabe war, dass die Bauern die Bevölkerung günstig mit Lebensmittel versorgten. Und das war nur mit Hilfe der Chemie möglich. Vielleicht lag es auch an der Branche Landwirtschaft, dass der Beruf Landwirt zum Lehr- und Lernberuf wurde. Dieser neue Lehrberuf war quasi die Begleitmusik zur Industrialisierung der Landwirtschaft in Deutschland.  

 

Industrialisierung, das hört sich nach Chemie auf den Äckern an ... 

 

ETZEL: Wir haben damals Kalkstickstoff gedüngt, ich erinnere mich, weil danach für 2 Tage Alkoholverbot galt. DDT, eines der schlimmsten Gifte überhaupt, wurde gegen Kartoffelkäfer eingesetzt. Mit diesen Erlebnissen bin ich Bauer geworden. Das hat meine Einstellung zum Beruf des Landwirts stark geprägt. 

 

Sie haben ab 1954 ihre Landwirtschaftslehre absolviert. Was war dann der nächste Einschnitt in ihrer beruflichen Karriere?  

 

ETZEL: Anfang der 1960er-Jahre kam  die Europäische Union immer mehr in Fahrt. Übrigens: Fördermittel für die Bauern gab es schon seit Mitte der 1950er-Jahre. Dass Ziel der EU war, dass die Landwirtschaft immer effizienter arbeitete und noch mehr Erträge erwirtschaftete. Unterstützt wurden diese Ziele in der damaligen Zeit von den Verbraucherverbänden, die den Bauern vorwarfen, sie lebten hinter dem Mond und produzierten zu wenig und zu teuer. Den Forderungen der Verbraucherverbände sind die Landwirte nachgekommen und haben investiert und mit Hilfe der Chemie ihre Erträge deutlich steigern können. Das war der Beginn des Preisverfalls durch die Steigerung der Produktion, was zur Überproduktion später bis heute führte.

 

Aber Effizienz fördert auch die Konzentration auf den Markt. Arbeitsplätze gehen verloren. 

 

ETZEL: Ja, die Konzentration in der Landwirtschaft hat in den letzten 60 Jahren immer mehr zugenommen. Die Maschine gibt heute das Tempo vor. Es gibt zum Beispiel satellitengesteuerte Mähdrescher, die Felder bearbeiten. Aber es werden auch landwirtschaftliche Regionen verschwinden, weil sie maschinell durch ihre Topologie nicht zu bearbeiten sind. Beispielsweise Höhenlagen und steinige Böden.  

 

Hinzu kommt aber auch noch der Klimawandel.  

 

ETZEL: Stellen Sie sich vor: In den 1950er-Jahren sind wir als Jungbauern noch mit dem Pferdeschlitten durch den Taunus gefahren. Das kann sich heute niemand mehr vorstellen. Als Bauer habe ich bei den Temperaturen im Lauf der Jahre immer ein Auf und Ab festgestellt. Aber über einen langen Zeitraum betrachtet ging die Temperatur nur nach oben. Bereits in den 1970er-Jahren haben Organisationen wie der Club of Rome oder Persönlichkeiten wie Herbert Gruhl, der das wegweisende Buch „Ein Planet wird geplündert“ geschrieben hat, vor der ökologischen Krise gewarnt. Vor allem Gruhl und seine Idee von einer nachhaltigen Landwirtschaft hat mich begeistert.  

 

Aber viele andere Landwirte hat das offenbar nicht interessiert. 

 

ETZEL: Und die Ergebnisse sieht man heute. So wurde eine geregelte Fruchtfolge aufgegeben. Ein Beispiel liefern hier norddeutsche Großbetriebe, die auf einem Teil ihrer Böden  zu viel Weizen mit zu früher Aussaat anbauen und dies in mehreren Jahren in Folge. Mit dem Ergebnis, dass sie mit einem hohen Einsatz von Glyphosat pro Hektar versuchen ihre Erträge zu sichern. Und diese Menge reicht, wie ich gehört habe, immer noch nicht.   

 

Für Sie war die Entwicklung in der Landwirtschaft nicht mehr tragbar und sie haben in den 1980er-Jahren ihren Betrieb nach und nach ökologisch umgebaut. Warum? 

 

ETZEL: Mein Ziel war und ist es, mit der ökologischen Landwirtschaft meinen Lebensraum und den Lebensraum von immer mehr Menschen im Naturpark Hochtaunus zu erhalten und zu fördern. 

 

Mittlerweile haben auch die großen Lebensmittel-Konzerne „Bio“ entdeckt. Passen die beiden Partner zusammen? 

 

ETZEL: Wenn die Lebensmittelkonzerne verlässliche Partner brauchen, dann kommen in erster Linie nur große Öko-Betriebe in Frage. Deshalb stellen jetzt auch große Landwirtschaftsbetriebe auf ökologischen Landbau um. Denn nur sie haben das Kapital, um eine solche Umstellung zu finanzieren. Trotzdem bin ich froh über jeden Ökobauern, den wir haben. mei

 

Persönliches: Paul Erich Etzel (79) stellt in den 1980er-Jahren seinen Betrieb in der Taunus-Gemeinde Wehrheim nach und nach auf ökologischen Landbau an. In dieser Hinsicht war Etzel ein Pionier, da er als erfolgreicher, "konventioneller" Landwirt, den Weg des Biobauern wählte.