Geheimdienst will digital spionieren

Sie sollen dabei verschlüsselte Kommunikation abfangen oder verdeckt nach digitalen Daten suchen können. Damit würde eine der Säulen der Pressefreiheit in Deutschland, das Redaktionsgeheimnis, fallen: Während es verboten bliebe, mit einer Redaktionsdurchsuchung die Identität journalistischer Quellen zu erlangen, könnte dies mit einer Online-Durchsuchung digital umgangen werden.

 

Erschwerend komme hinzu, dass laut Entwurf das Innenministerium das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei deutlich aufweichen will, sodass die Strafverfolgung von Medienschaffenden erleichtert würde. "Mit den Plänen schießt das Innenministerium deutlich über das Ziel hinaus: Mit der Abschaffung des Redaktionsgeheimnisses würden Medienschaffende und ihre Quellen die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit verlieren", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

 

Referentenentwurf muss überarbeitet werden

 

Hintergrund sei ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein "Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts". Reporter ohne Grenzen hat eine ausführliche Stellungnahme zu allen Kritikpunkten inklusive Vorschlägen zur Verbesserung erstellt. In einer konsolidierten Version der drei maßgeblichen Geheimdienstgesetze mit allen geplanten Änderungen können die BMI-Pläne detailliert analysiert werden. Grundlage ist ein Leak des Referentenentwurfs bei netzpolitik.org (https://ogy.de/o7vk). Jüngsten Medienberichten zufolge seien die Pläne innerhalb der Großen Koalition hoch umstritten und werden derzeit vom SPD-geführten Bundesjustizministerium blockiert.

 

Mit Trojanern sollen Unterlagen ausspioniert werden

 

Bei der sogenannten Online-Durchsuchung dringen Ermittlungsbehörden verdeckt in digitale Geräte ein, um sie umfassend zu durchleuchten. Dazu können sie zum Beispiel einen Trojaner auf den Computer aufspielen, um alle auf der Festplatte gespeicherten Informationen zu durchsuchen. Im Falle von Journalisten können sie damit gespeicherte Dokumente, Interviewmitschnitte oder auch gespeicherte Browser-Verläufe von Internetrecherchen durchsehen. 

 

Kein Halt mehr vor digitalen Geräten von Journalisten

 

Den Plänen des Innenministeriums zufolge soll dies ausgerechnet bei den ohnehin schwächer kontrollierten Geheimdiensten anders werden: Die Verfassungsschutzämter auf Bundes- und Landesebene sowie der Bundesnachrichtendienst müssen nicht mehr prinzipiell Halt machen vor den Geräten von Journalisten. Stattdessen sollen Hacks auch bei ihnen in jedem Einzelfall geprüft werden - und würden erlaubt, wenn die Geheimdienste ihr Interesse an den gehackten Informationen als wichtiger einschätzen als ein möglicher Schaden für die Pressefreiheit. Besonders gering sind die Hürden für den Bundesnachrichtendienst, der ausländische Medien digital angreifen können soll, um die "Handlungsfähigkeit Deutschlands" zu gewährleisten. Es wäre also beispielsweise erlaubt, die Server der Washington Post zu hacken, wenn dies im außenpolitischen Interesse läge. 

 

Polizei und Geheimdienste können gemeinsame Datenbank aufbauen

 

Die Online-Durchsuchung sei dabei nur die Spitze des Eisbergs. Der Referentenentwurf liste eine Reihe weiterer Maßnahmen auf, mit denen Geheimdienste journalistische Arbeit bespitzeln dürften: So sollen sie verschlüsselte Kommunikation zwischen Medienschaffenden und Quellen überwachen dürfen und Buchungsdaten von Recherchereisen mittels Bahn oder Mietwagen abfragen können. Hinzu komme, dass das historische Trennungsgebot zwischen Strafverfolgung und Geheimdiensten aufgeweicht werden soll, indem zum Beispiel Polizeien und die Inlandsgeheimdienste dauerhaft gemeinsame Datenbanken aufbauen können.

 

Auch ausländische Geheimdienste sollen profitieren

 

Damit können Strafverfolger Informationen über Medienschaffende erhalten, die eigentlich nur Geheimdienste verwerten dürfen - und umgekehrt. Dieser Informationsaustausch soll auch internationalisiert werden: Deutsche Geheimdienste sollen Daten über Medienschaffende in internationale Datenbanken einpflegen können, woran dann wiederum ausländische Geheimdienste teilnehmen. Damit könnten ausländische Staaten zum Beispiel an Daten über im deutschen Exil arbeitende Journalistinnen und Journalisten gelangen. 

 

Informationen über Geheimdienste erhalten

 

Reporter ohne Grenzen fordert, dass Medienschaffende verstärkte Informationsbefugnisse gegenüber Geheimdiensten erhalten, weil sie einerseits rasch ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden gelangen, eine Beschattung sich andererseits aber besonders negativ auf das eigene Verhalten und das Vertrauensverhältnis mit Quellen auswirkt. pm, ots, mei