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Politics & Economics  ·  20. Juni 2019

Immer mehr arme Kinder wohnen in Ghettos

Arm und reich gehen in Deutschland immer öfter getrennte Wege. Und vor allem: Sie wohnen nicht Tür an Tür. Solche geografische Trennungen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten fördern die „Ghettobildung“ in deutschen Städten, haben die Wissenschaftler Marcel Helbig und Stefanie Jähnen vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin in einer Studie herausgearbeitet. 

 

Die Studie hat die „soziale Durchmischung“ in 74 deutschen Städten für die Jahre 2005 bis 2014 unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: In knapp 80 Prozent dieser Kommunen habe die „räumliche Ballung“ von Menschen zugenommen, die von staatlichen Sozialleistungen wie Hartz IV lebten. Auch hessische Städte wie Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Offenbach und Kassel wurden in die Studie mit einbezogen. Interessanterweise schneidet hier die Universitäts- und Wissenschaftsstadt Darmstadt bei der „sozialen Segregation“ am schlechtesten ab. Rund 30 Prozent der „armen Menschen“ leben hier in „geschlossenen“ Bezirken. In der Bankenmetropole Frankfurt liegt diese Zahl laut der Studie bei einem Viertel.

 

In reichen Städten nimmt die Ghettoisierung ab

 

Während in den „reichen“ Städten die „Ghettoisierung“ tendenziell zunimmt, geht sie in Kommunen wie Offenbach zurück. Aktuell leben dort „nur“ zehn Prozent der Armen „unter sich“, wie die Studie herausfand. Dort ist die auch stark Tendenz stark fallend. Der Grund: In der „armen“ Stadt Offenbach gibt es nicht viele Wohnquartiere, wo sich der „Mittelstand“ separieren könnte, sagt Helbig.

 

Ghettobildung in Frankfurt nimmt jährlich zu

 

Im Gegensatz zur Nachbarstadt Offenbach nimmt die „Ghettobildung“ in Frankfurt dagegen jährlich zu, haben die Berliner Wissenschaftler festgestellt. Spitzenreiter ist in dieser Hinsicht in Hessen aber Kassel. Die Studie ist auch der Frage nachgegangen, wie viele Kinder von der sozialen Ungleichheit beim Wohnen betroffen sind. In dieser Hinsicht nimmt wieder Darmstadt mit rund 35 Prozent den hessischen Spitzenplatz ein. Gefolgt von Kassel (32 Prozent) und Frankfurt (25 Prozent). Die Forscher befürchten dennoch, dass Frankfurt in diesem Bereich im Laufe der nächsten Jahre noch „aufholen“ wird. 

 

Studie ist ein Warnschuss, sagt der Planungsdezernent

 

Frankfurts Planungsdezernent, Mike Josef (SPD), betrachtet die Studie als einen „Warnschuss“, weiter dafür zu sorgen, dass in der Bankenmetropole „Ghettos“ keine Chance haben. Bei neuen Wohnprojekten in Frankfurt will Josef auf die „soziale Durchmischung“ besonderes Augenmerk legen. „Krankenschwestern und Polizisten müssen sich in Frankfurt eine Wohnung leisten können. Diese mittelständischen Personengruppen sind ganz wichtig für die Stabilität eines Quartiers“, sagt der Planungsdezernent.

 

Mehr als 50 Prozent der Kinder sind von staatlichen Leistungen abhängig

 

In 36 deutschen Städten gibt es nach der Analyse des Wissenschaftszentrum inzwischen Quartiere, in denen sogar mehr als die Hälfte der Kinder von staatlichen Leistungen abhängig seien. „Diese Entwicklung kann sich negativ auf die Lebenschancen armer Kinder ausweiten“, sagt die Studien-Autorin Stefanie Jähnen und ergänzt: „Aus der Forschung wissen wir, dass die Nachbarschaft den Bildungserfolg beeinflusst.“

 

 

Niveau nur aus amerikanischen Städten bekannt

 

Unterdessen stellten die Forscher die höchsten Werte sozialer Ungleichheit beim Wohnen im Osten Deutschlands fest. Betroffen sind hier Rostock, Schwerin, Potsdam, Erfurt, Halle und Weimar. Stark betroffen seien aber auch einige Städte in Westdeutschland, darunter Kiel, Saarbrücken und Köln. „Dieses Niveau kennen wir bisher nur von amerikanischen Städten“, sagt Forscher Helbig. Die Dynamik der Veränderung sei vor allem im Osten „historisch beispiellos“. Das habe auch gesellschaftliche Folgen: Wer die Probleme des Nachbarn mit wenig Geld nicht mehr hautnah erlebe, könne ein Stück Lebenswirklichkeit leichter ausblenden. Und wer im „Armen-Ghetto“ lebt, mag demnach weniger Aufstiegswillen entwickeln.

 

Die Segreation der Armen hat zugenommen

 

Die Wissenschaftler verweisen weiter darauf, dass die soziale Segregation der Armen ab Mitte der 1990er Jahre bis 2004 zugenommen hat. „Wir zeigen, dass sich die Entwicklung auch nach der Hartz-IV-Reform des Jahres 2005 fortsetzt: In vielen deutschen Städten ballen sich Personen mit Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB-II-Bezieher) zunehmend in bestimmten Stadtteilen. Ähnlich wie in den USA habe sich die soziale Spaltung der Städte bei Kindern beziehungsweise Familien mit Kindern stärker ausgeprägt als bei der Gesamtbevölkerung. mei

 

Info: Die Entstehung der Ghettos

 

Als Ghetto bezeichnet man auch zu früheren Zeiten ein abgesondertes Wohnviertel. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Italienischen und bedeutet Gießerei. Er wurde dann später als Bezeichnung für ein abgetrenntes Wohngebiet übernommen, da die jüdischen Einwohner in Venedig 1516 auf „Geto Nuovo“ (neue Gießerei) beschränkt waren.

Im Spätmittelalter wurde den Juden ein Ghetto oder eine Judengasse als Lebensraum zugewiesen und von ihnen bis zur Neuzeit bewohnt. Umgangssprachlich werden heute auch Stadtviertel als Ghetto bezeichnet, in denen überwiegend Angehörige bestimmter Ethnien (Segregation) oder sozialer Randgruppen leben.  mei

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