Die Eskalation am Persischen Golf

 

Die Kommentare zum USA-Iran-Konflikt

 

 

Berliner Morgenpost

 

In jedem Konflikt, in jedem Krieg ist das erste Opfer die Wahrheit. Das gilt auch für den neuesten Zwischenfall am Persischen Golf. Doch egal, ob die vom Iran zerstörte US-Drohne in den Luftraum des Landes eingedrungen ist oder sich über internationalem Gewässer befand: Die Konfrontation zwischen Washington und Teheran verschärft sich. Beide Lager erhöhen ihre Drohkulissen. Es findet ein Psycho-Krieg statt, um das Risiko für die andere Seite nach oben zu treiben. Die Diplomatie hat noch eine letzte Chance. Die Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens - die EU-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie Russland und China - müssten zu einem politischen Herkulesakt ansetzen. Das Ziel kann nur sein, dass sowohl der Iran als auch die USA Zugeständnisse machen.

 

Rhein-Neckar-Zeitung

 

Einige Kräfte innerhalb der US-Regierung streben ganz offensichtlich eine Konfrontation und einen erhofften Regimewechsel im Iran an. Sprunghaft und beeinflussbar, wie Trump ist, scheint noch nicht ausgemacht, ob sich die Falken oder die Gemäßigten durchsetzen. Ein Krieg wäre auf jeden Fall ein verhängnisvoller Fehler.

 

 

Krieg in den ganzen arabischen Raum tragen

 

Erstens hat der Iran über die Verbindungen in den Irak, die Hisbollah-Milizen in Syrien und im Libanon und die Huthi-Rebellen im Jemen ein Netz von schiitischen Guerilla-Einheiten, mit denen er den Krieg in die ganze arabische Welt tragen kann. Und zweitens dürfte, falls das iranische Regime tatsächlich gestürzt wird, ein Machtvakuum entstehen. Genau das ist damals im Irak passiert, mit der Folge, dass der IS in diesem Vakuum groß werden konnte. All das sollte eine verantwortliche Außenpolitik berücksichtigen. Aber langfristiges Denken ist derzeit im Weißen Haus leider eine Seltenheit.

 

Westdeutsche Zeitung

 

Es ist zum Fürchten: Nach dem Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne durch die iranische Luftabwehr könnte der Streit zwischen Washington und Teheran außer Kontrolle geraten. Zunächst genehmigte US-Präsident Donald Trump Vergeltungsschläge, dann gab er das Kommando zum Rückzug. Was nach einem irren Hin und Her aussieht, entspricht durchaus der Widersprüchlichkeit der Trumpschen Heilsversprechen. Auf der einen Seite will der Präsident am liebsten alle US-Truppen aus dem Ausland zurückholen; die Rolle Amerikas als Weltpolizei lehnt er ab, sollen die ihre Probleme doch alleine lösen. Auf der anderen Seite kann Trump nicht hinnehmen, dass Teheran ihn öffentlich vorführt.

 

Trump hat einen Ruf als starker Mann zu verlieren

 

Für den Moment hat sich Trump gegen die Eskalation entschieden. Aber viel spricht leider dafür, dass das nicht so bleibt. Die beiden wichtigsten Berater des Präsidenten, Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsexperte John Bolton, stehen für eine ganz harte Linie. Beide wollen den Iran nicht nur schwächen, sie streben einen Regimewechsel in Teheran an - und schrecken dabei keineswegs vor militärischen Mitteln zurück. Weil die Mullahs nicht weichen werden, wird der Krieg am Persischen Golf immer wahrscheinlicher. Trumps bisherige Politik folgt einem eindimensionalen Muster: Druck und Drohung. Er sucht nicht den Ausgleich, nicht den fairen Kompromiss, sondern den aus seiner Sicht besten Deal. Und im Falle Teherans ist das die militärische Konfrontation. 

 

Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran war ein fataler Fehler

 

Gegen das Bitten und Flehen fast aller Länder dieser Welt hat Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Ein fataler Fehler. Ohne Zweifel finanziert Teheran Terrortruppen. Hamas, Hisbollah, Huthis - überall im Nahen und Mittleren Osten agieren militante islamistische Gruppen im Sinne der Mullahs. Den Iran streng zu kontrollieren, ist deshalb gut und richtig. Genau das war der Sinn des Atomabkommens. Doch die Zeit der Kooperation ist vorbei. Trumps Politik stärkt jene radikalen Kräfte in Teheran, die die Gewalt nicht scheuen.

 

Ölhandel in der gesamten Region wird lahmgelegt

 

Ob im Irak, in Syrien oder im Libanon: Überall verfügt der Iran über Verbündete, die jederzeit Stützpunkte der Amerikaner angreifen können. Eine solche Auseinandersetzung am Persischen Golf würde den gesamten Ölhandel in der Region lahmlegen und hätte unkontrollierbare Folgen für die Weltwirtschaft. Was noch schwerer wiegt: Der militärische Konflikt selbst wäre nicht beherrschbar, weil auf beiden Seiten Politiker das Sagen haben, die von Hass und Geltungssucht getrieben werden. Es ist wirklich zum Fürchten. 

 

Stuttgarter Nachrichten

 

Man darf annehmen, dass sich Donald Trump darüber im Klaren ist, was für ein Desaster er mit einem Krieg gegen den Iran riskieren würde. Das Land ist dreimal so groß wie der Irak, an dem sich Amerika nach dem Einmarsch im März 2003 so gründlich verhoben hat. Es wäre unmöglich, einen Flächenriesen wie den Iran allein mit Luftschlägen zu besiegen. Trump müsste Bodentruppen entsenden, womöglich die Wehrpflicht wieder einführen. Hinzu kommt: Nach dem Ausstieg aus dem Atomabkommen könnten die USA in Europa wohl auf keinen Verbündeten mehr zählen, nicht einmal auf die Briten, die im Irak noch brav mitmarschierten. 

 

Mittelbayerische Zeitung

 

Über dem Persischen Golf zieht Nebel auf. Propaganda-Nebel, der den klaren Blick auf das tatsächliche Geschehen trübt. Deshalb kann niemand wirklich sagen, wer für die Angriffe auf die beiden Öltanker verantwortlich ist. Leider fehlt nicht nur dem Mullah-Regime in Teheran jede Glaubwürdigkeit, sondern auch dieser US-Regierung, deren Präsident mit der Wahrheit auf dem Kriegsfuß steht. Schlüssige Erklärungen bieten sich einige an.

 

Vermittlungsbemühungen Japans werden unterminiert

 

So könnten Hardliner im Iran die Absicht verfolgt haben, die Vermittlungsbemühungen zwischen den USA und Iran durch den japanischen Premier Shinzo Abe zu unterminieren. Darüber hinaus drängen Elemente der Revolutionsgarden auf Rache für den Wirtschaftskrieg Trumps gegen das isolierte Land. Plausibel bestreitbare Nadelstiche gegen die US-Interessen böten sich dafür als ideales Mittel an. Denkbar scheint auch eine gezielte Provokation durch Saudi-Arabien, das mit dem Iran um die religiöse und hegemoniale Vormacht in der Region konkurriert. Nie war die Chance größer für Riad, die Supermacht in einen Konflikt mit dem Erzfeind hineinzuziehen, wie in dieser Präsidentschaft.

 

Nibelungentreue gegenüber Saudi-Arabien

 

Der Umgang mit dem Auftragsmord an dem Regime-Kritiker Jamal Khashoggi illustriert die Nibelungentreue Trumps gegenüber dem skrupellosen Alleinherrscher. Experten halten es auch nicht für ausgeschlossen, dass interessierte Kreise in den USA nach dem Vorbild des sogenannten "Golf von Tonkin"-Vorfalls einen Kriegsvorwand schaffen wollen. Wie die US-Regierung 1964 falsche Geheimdienstinformationen vorschob, um gegen Vietnam in den Krieg zu ziehen, könnte nun der Iran das Ziel einer solchen Desinformation-Kampagne sein.

 

Jeder Anlass für einen Waffengang recht

 

Der Unterschied diesmal besteht darin, dass innerhalb der Trump-Regierung die Kräfte in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Die beiden Falken, Außenminister Mike Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton, vermitteln den Eindruck, ihnen sei jeder Anlass für einen Waffengang recht. Trump dagegen rasselt zwar gerne laut mit dem Säbel, hat aber starke isolationistische Instinkte. Mit Gewissheit lässt sich dagegen sagen, dass die sogenannte Strategie des "maximalen Drucks" auf Teheran ein Rohrkrepierer ist. Sollte der Iran tatsächlich hinter den Provokationen stecken, wären die brennenden Tanker bloß der Beleg für eine aggressivere Gangart des Regimes.

 

Illusion, dass Verhandlungsbereitschaft wächst

 

Dass die Verhandlungsbereitschaft dadurch wächst, war ohnehin eine Illusion. Die moderateren Kräfte in Iran haben es im Kräftemessen mit den Hardlinern nach der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA noch schwerer gehabt, auf Mäßigung zu drängen. Wie Trump die Machthaber in Teheran unter diesen Bedingungen zu Gesprächen bewegen möchte, bleibt sein Geheimnis. Mit seiner Abfuhr für den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe, der Vermittler-Dienste angeboten hatte, demonstrierte Ajatollah Chamenei, wie die Dinge stehen.

 

Irrlichtern Trumps hat viel zur Eskalationsspirale beigetragen

 

Das außenpolitische Irrlichtern Trumps hat mindestens so viel zu der Eskalations-Spirale am Persischen Golf beigetragen, wie die Scharfmacher in den Anrainer-Staaten. Ohne Mäßigung auf allen Seiten droht das Pulverfass im Mittleren Osten in die Luft zu fliegen. Dies hätte auch massive Konsequenzen für die Weltwirtschaft, weil rund ein Drittel des gesamten Rohöls weltweit durch die strategisch wichtigen Meerengen fließt. Ein Weg zur Deeskalation könnte in der Untersuchung der Angriffe auf die Tanker durch die Vereinten Nationen bestehen. Die offene Frage bleibt, ob die Streitparteien daran ein ernsthaftes Interesse haben. Falls nicht, könnte sich unter den Propagandanebel bald Pulverdampf mischen. pm, ots