Menschen finden bei der Politik kein Gehör

Herr Lucke, bei der Dresdner Pegida-Demonstration kam es vergangenen Montag zu heftigen verbalen Entgleisungen einiger Redner. Vor allem der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci riss rhetorisch alle Schranken ein. Was passiert auf solchen Veranstaltungen?

 

BERND LUCKE: Das ist keine Form der politischen Auseinandersetzung mehr. Pegida kultiviert immer mehr den Tabubruch. Sei es, dass ein Mann mit einem „Merkel-Galgen“ auf der Demo zu sehen ist oder ein Redner wie Pirinçci seine Hasstiraden über 20 Minuten zum Besten geben kann. Trotzdem möchte ich solchen Leuten nicht unterstellen, dass sie per se gewaltätig sind. Aber ich sehe die Gefahr, dass solche Äußerungen zur Enthemmung manch anderer Menschen beitragen.

 

Wo sehen sie ihre ehemalige Partei, die AfD, bei diesem Spiel mit dem Pegida-Feuer? 

 

LUCKE: Ich denke, dass die Partei in dieser Hinsicht gespalten ist. Offensichtlich ist für mich, dass Björn Höcke (Fraktionschef der AfD im Thüringer Landtag - d. Red.) den Schulterschluss mit der rechten Pegida-Szene sucht. Er ist es auch, der sich in der Öffentlichkeit derzeit immer wieder in den Vordergrund spielt. Solch ein Verhalten Höckes treibt die Radikalisierung der AfD voran. Der andere Flügel der Partei ist zu einem solchen Schulterschluss anscheinend noch nicht bereit.

 

Haben Sie Verständnis für die Menschen, die zu Pegida-Demonstrationen gehen?

 

LUCKE: Ja. Diese Menschen sehen, dass die Regierung Merkel kein Konzept hat, wie die Flüchtlingskrise bewältigt werden soll. Sie sehen nur, dass immer mehr Flüchtlinge zu uns kommen und keiner der Verantwortlichen weiß genau, wo diese wohnen und wie diese ausgebildet werden sollen. Es handelt sich bei ihnen meist um die sogenannten „kleinen Menschen“, die im Zweifelsfall direkt mit den Flüchtlingen um Arbeitsplätze und Wohnungen konkurrieren. 

 

Sehen diese „kleinen Leute“ keine andere Möglichkeiten mehr, um ihren Unmut Luft zu machen, als Pegida-Demos zu besuchen?

 

LUCKE: Offenbar nicht. Da sie bei der Politik kein Gehör mehr finden, sondern tendenziell stigmatisiert werden, tragen sie ihren Protest mit aller Emotionalität auf die Straße. 

 

 Ist bei den Teilnehmerzahlen bei Pegida-Demonstrationen noch Potenzial nach oben?

 

LUCKE: Je länger diese Unklarheiten in der Flüchtlingsfrage noch bestehen, wird es immer mehr unzufriedene Menschen geben.

 

Sie haben im Sommer mit einigen Mitstreitern die Partei „Alfa“ gegründet. Wie steht ihre Partei zur Flüchtlingsproblematik?

 

LUCKE: Wir möchten eine Obergrenze bei der Zuwanderung. Wir können auch nicht alle Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten aufnehmen. Unseren besonderen Schutz bedürfen Familien, Frauen und Kinder. Wichtig ist uns ebenfalls, dass den Menschen Hilfe vor Ort zukommt und sie nicht zur Flucht gezwungen sind. Das Asylrecht möchten wir natürlich nicht antasten.

 

Sie und Ihre Partei sind also auch nicht mit der Flüchtlingspolitik der Regierung einverstanden. Sieht man Sie dann auch bald auf Pegida-Demonstrationen?

 

LUCKE: Mit Sicherheit nicht. Aber ich rate den Pegida-Demonstranten, sich von den ausländerfeindlichen Elementen deutlich abzugrenzen. mei