Die Menschen nehmen die Globalisierung als Bedrohung wahr

„Wir waren überrascht von diesem Ergebnis“, sagt Hoffmann im Gespräch mit dieser Zeitung. Vor der Studie sei man davon ausgegangen, dass rechtspopulistische Wähler auch ein seit Jahren gefestigtes „rechtes Weltbild“ hätten. Die Studie lege aber nahe, dass dem nicht so sei, sondern diese Menschen sich vor einer globalisierten Welt fürchteten. „Während vor Jahren noch die Globalisierung positiv besetzt war. Man verband sie mit mehr Wachstum und billigen Elektronikprodukten hat sich das heute bei vielen ins Gegenteil verändert“, so Hoffmann weiter. 

 

Heute erlebten diese Menschen die Globalisierung als ein Aufeinanderfolgen von Krisen. Beispiele hierfür seien zum Beispiel die Turbulenzen an den Kapitalmärkten, die Auseinandersetzungen in der Ukraine, den Brexit oder den barbarischen Bürgerkrieg in Syrien. Ängste schürten weiter die Zukunft der Arbeit, die mit einem weiteren Technologieschub („Industrie 4.0“) und den Verlust von Arbeitsplätzen einhergehe. 

 

Politik weiß auf die Flüchtlingskrise keine Antwort

 

Von großer Angst besetzt sei auch die „menschliche Komponente“, die mit der Globalisierung auf die Menschen zugekommen sei: Die Flüchtlingskrise, auf die die Politik aus Sicht vieler Menschen keine Antwort weiß. In dieses Vakuum, das die Politik bei diesen Globalisierungs-Krisen hinterlassen habe, seien die rechtspopulistischen Parteien gestoßen. Und diese hätten in Deutschland besonders Erfolg bei älteren Menschen, die aus einem sogenannten bildungsfernen und einkommensschwachen Milieu stammten. 

 

Rechtspopulismus ist ein länderübergreifendes Phänomen

 

Wie die Studie nachweise, sei der Rechtspopulismus ein länderübergreifendes Phänomen: Die Mehrheit der Anhänger von Parteien wie der deutschen AfD, der französischen Front National, der FPÖ in Österreich, der italienischen Forza Italia oder der britischen und EU-kritischen UKIP sieht in der Globalisierung eine Bedrohung. Und am meisten fürchten sich die europäische Globalisierungs-Pessimisten nach der Analyse der Bertelsmann-Stiftung mit 53 Prozent am meisten davor, wie die Integration von Flüchtlingen in ihren Ländern gelingen soll. Erst dann folgen mit großem Abstand die Angst vor Kriegen, Armut, Kriminalität (alle 45 Prozent), Wirtschaftskrisen und Terrorismus (beide 43) und Umwelt (42).

 

Die Politik kann das Thema Angst leichter auflösen

 

Dass jetzt das Angstgefühl der Hauptgrund sei, darin sehen die Forscher aber durchaus etwas Positives. Die Politik könne das Thema Angst leichter auflösen als seit Jahren gefestigte Werte. Ein Mittel dazu wäre die Bildung. Dies könnte der Schlüssel sein, um die Zukunftsängste der Menschen abzubauen, meint Hoffmann. Die Auseinandersetzung mit den Ängsten bei der Globalisierung, im Speziellen bei Flüchtlings- und Migrationsfragen, gehört laut Studie zu den zentralen politischen Herausforderungen der kommenden Jahre für die Politiker im EU-Raum. „Nur wer sie aufzulösen weiß, wird Wähler von den populistischen Parteien zurückgewinnen können“, lautet das Fazit der Studie.

 

Forscher von der aktuellen Entwicklung eingeholt

 

Bei der Forderung der Studien-Autoren an die Politik wurden die Forscher bereits von aktuellen Entwicklungen eingeholt. Laut Beobachtungen der Bertelsmann-Stiftung haben die Parteien in Europa bereits reagiert und Strategien entwickelt. Als Beispiele nennt die Studie dafür die „Methode May“ und „Methode Merkel“. Die britische Premierministerin Theresa May hat ihre politische Rhetorik umgestellt. Auf dem Tory-Parteitag in Birmingham im Oktober 2016 machte May Aussagen, die mit der bisherigen Parteilinie nicht übereinstimmten.

 

Änderung der Flüchtlingspolitik bei Angela Merkel

 

Bei Merkel sei ein deutlicher Politik-Schwenk mit Änderungen in der Flüchtlingspolitik zu beobachten. Allerdings fehle bei der Kanzlerin bislang ein nachhaltiges rhetorisches Zeichen. Das sei bei der Finanzkrise mit dem Hinweis auf die sicheren Spareinlagen der Bürger anders gewesen. Die Studie erinnert an den Moment, als die Kanzlerin sich zusammen mit Peer Steinbrück im Herbst 2008 an die Bundesbürger wandte.

 

Deutschen sind am wenigsten empfänglich für populistische Politik

 

Im November veröffentlichten die britischen Meinungsforscher der Firma YouGov ebenfalls Zahlen zum Thema Populismus. Demnach sind die Deutschen im EU-Vergleich am wenigsten empfänglich für populistische Politik. So teilen in Deutschland 18 Prozent der Wähler politische Überzeugungen, die von Parteien wie der AfD bedient werden. In Polen hingegen sind es 78 Prozent, in Frankreich 63 und in den Niederlanden 55 Prozent.

 

"Globalisierung als Bedrohung"

 

Bertelsmann-Stiftung und YouGov stimmen in einem Punkt allerdings nicht überein. Bei der Frage, wer eher Sympathie für rechtspopulistische Parteien hat, sagt You-Gov: Je älter desto mehr. Außerdem gebe es auch bei Wählern mit mittlerem Bildungsniveau ein hohes Potenzial. In diesem Punkt gibt es klaren Widerspruch von der Bertelsmann-Stiftung: „Je niedriger das Bildungsniveau, je geringer das Einkommen und je älter die Menschen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Globalisierung als Bedrohung wahrnehmen.“ mei"