Burnout: Wenn nichts mehr so wie früher ist

Frau Reichelt, Burnout ist mittlerweile ein gesellschaftliches Phänomen. Wann bemerkt der Betroffenen, dass er vor dem Burnout steht? Was sind die Anzeichen?

 

UMA ULRIKE REICHELT: „Ich kann nicht mehr!“ Das sind typische Worte eines Betroffenen. Im Grunde empfindet ein Mensch vor dem Burnout sein Dasein als permanent anstrengend, erdrückend, gehetzt und die meisten Dinge sind zur Belastung geworden. Lebensfreude, Muße, Genuss und Leichtigkeit sind verflogen. Die Unfähigkeit, sich zu entspannen – herunter zu kommen -  hat sich dann schon über eine längere Zeit verfestigt und dies führt zu einer dauerhaft hohen Anspannung im Nervensystem. Gereiztheit, Nervosität, Gedächtnisprobleme, emotionale Schwankungen, Schlafstörungen, Beschwerden im Magen-Darmbereich und ein verkrampfter schmerzhafter Körper sind dann zum Beispiel die Folge. Morgens fühlt man sich wie „gerädert“ und es findet keine ausreichende und spürbare Erholung mehr statt. 

 

Gibt es Menschen, die besonders betroffen sind?

 

REICHELT: Jeder von uns hat seine persönlichen Grenzen der Belastbarkeit – beruflich und privat. Menschen, die z.B. traumatische Erfahrungen gemacht haben und diese nicht gelöst haben können schneller ins Burnout gelangen, weil ihre Belastbarkeit eingeschränkt ist. Auch Menschen mit einer hohen Sensibilität empfinden Stress viel stärker als normal Sensible. Inzwischen ist Burnout wirklich querbeet anzutreffen. Zu mir kommen schon junge Menschen Mitte zwanzig, die sich überfordert fühlen und krank geschrieben sind. Wenn wir bei den Berufsgruppen schauen, dann sind vor allem Einsatzkräfte, Ärzte, Pflegepersonal, Menschen mit viel Verantwortung und diejenigen, die den ganzen Tag für andere da sind und im sozialen Kontakt, z.B. Kundenkontakt sind – besonders anfällig.

 

Was ist noch wichtig?

 

REICHELT: Aber genauso wichtig ist das Umfeld. Unsinnige und dauerhaft hohe Arbeitsanforderungen, wenig oder gar keine Anerkennung, Mobbing und ein negatives Klima beruflich oder privat machen einfach mürbe, wenn man sich nicht selbst helfen kann. Es geht insgesamt weniger um bestimmte Gruppen als vielmehr um das Zusammenspiel von verschiedenen Lebensfaktoren. Grundsätzlich sind wir alle anfällig für ein Burnout, weil niemand von uns in der Schule oder im Elternhaus gelernt hat, sich selbst kennen zu lernen und mit schwierigen Situationen umzugehen – geschweige denn Methoden für sich nutzt - wie das tägliche Zähneputzen - um das, was an Stress herein kommt auch wieder los zu werden. Das ist das Hauptproblem, welches ich in meiner Arbeit sehe, egal, zu welcher Gruppe von Menschen oder Berufen jemand gehört. 

 

Ist Burnout im Grunde genommen eine Depression?

 

REICHELT: Ich stelle grundsätzlich keine Diagnosen. Aber: Wir können uns kräftemäßig erschöpfen und uns daraufhin depressiv fühlen – also antriebslos lustlos, sinnentleert – der Begriff der Erschöpfungsdepression. Diese Gefühle entstehen aber aus einem Mangel an Lebensenergie, die zuvor ausgegeben wurde. Im übertragenen Sinne – Ihr Konto ist leer. Ihnen fehlt schlichtweg die nötige Energie, um in den Genuss von Antrieb, Lebenslust und Sinn zu kommen. Bei einer Depression ist Energie da, aber sie stagniert, ist gebunden, z.B. in ungelösten belastenden Erlebnissen und Traumata und fühlt sich deswegen auch so erdrückend und ausweglos an. Bei einem Menschen mit Burnout muss das „Konto“ wieder aufgefüllt werden mit Energie, bei einer Depression die gebundene Energie eher wieder ins Fließen kommen. Natürlich gibt es Mischformen, das Leben ist wie immer und überall komplex. Aber es ist ein großer Unterschied, ob jemand mit einem Burnout oder einer Depression vor Ihnen sitzt. Das Nervensystem von jemandem, der auf ein Burnout zusteuert, befindet sich über lange Zeit in der Überstimulation, unter der sich eine große Erschöpfung breit macht. Das Nervensystem von jemandem, der mit Depressionen zu tun hat ist dagegen unter-stimuliert und produziert die typische erdrückende Schwere. 

 

Immer wieder gibt es Menschen, die ihr Burnout wie eine Trophäe vor sich hertragen. Seht' ich habe ein Burnout, ich arbeite viel mehr als ihr alle zusammen. Was sagen sie so einem Menschen?

 

REICHELT: Wir alle haben den ein oder anderen sogenannten inneren Antreiber in uns. Sie lassen uns zu viel arbeiten, nicht Nein an der richtigen Stelle sagen oder immer kämpfen und pseudo-stark sein. Diese inneren Antreiber sitzen uns im Nacken und haben alle nur ein einziges Motiv: unsere wichtigsten Grundbedürfnisse, wie Sicherheit, Geborgenheit, Liebe und Anerkennung sicher zu stellen. Besonders aktiv sind innere Antreiber in uns, wenn wir gerade in unseren frühen Lebensjahren Instabilität und Liebesentzug erfahren haben. Auch hier spielt die Lösung von Konflikten und Heilung von traumatischen Erfahrungen, also die Herstellung der inneren Balance und Stärke eine zentrale Rolle. In meinem Buch gibt es ein Quiz von insgesamt 10 inneren Antreibern, bei dem man herausfinden kann, welche Antreiber wie stark aktiv sind und in welchem Ausmaß sie unser Leben und Wohlbefinden bestimmen. 

 

Was ist der Unterschied zwischen Stress und Burnout? Wann beginnen die Übergänge?

 

REICHELT: Stress ist eine Mobilisation unseres gesamten Organismus. Burnout ist das Ergebnis einer zu lang anhaltenden Mobilisation. Also, wir wachen nicht eines Morgens auf und haben plötzlich ein Burnout. Unser Organismus muss dafür über längere Zeit immer Vollgas fahren, d.h. unser Nervensystem sieht „rot“ und kommt nicht mehr in die Selbstregulation – kann von allein nicht mehr herunterfahren auf „grün“. Das ist so, als ob man mit dem Fahrstuhl festhängt. Menschen berichten mir dann, dass sie permanent Kreisgedanken haben, nicht mehr loslassen können, sehr unruhig sind und sich selbst nicht mehr helfen können aus diesem Zustand heraus zu kommen. Dann braucht es gezielte Methoden, wie TRE® und EFT (Klopfakupressur), welche die angestaute Spannung aus dem Nervensystem entlassen, so dass „Entwarnung“ an das Gehirn signalisiert wird und das Nervensystem aus der Stressschleife wieder in den „grünen“ Bereich kommt. Genau das gleiche trifft auch auf traumatisierte Menschen zu, deren Nervensystem noch in der erlebten Gefahr feststeckt. PTBS und Burnout haben hier einige Gemeinsamkeiten.

 

Wie kann ich mich vor einem Burnout schützen?

 

REICHELT: Ein Burnout ist kein Virus, den man sich einfängt. Er ist das Ergebnis, wenn wir über lange Zeit aus dem Gleichgewicht sind, viele ungelöste Konflikte und Kompromisse in unserem Leben haben und nicht im Einklang mit unserem Naturell und wichtigen Lebensgesetzen leben. Sich selbst kennen und spüren zu lernen und daraufhin auch so zu leben, wie es zu uns passt, ist die beste Medizin bei einem Burnout und auch die beste Prävention. Um dies leichter und greifbarer zu machen, wie das funktionieren kann, habe ich in meinem Buch einen Prozess entwickelt, mit dem Sie sofort starten können. Er hat die 3 essentielle Faktoren, die aus meiner Erfahrung dazu nötig sind und Übungen, wie z.B. die eigene artgerechte Haltung.

 

Gibt es Tipps zum Glücklich werden und bleiben?

 

REICHELT: Sich vor einem Burnout zu schützen und glücklich und gesund zu sein oder wieder zu werden ist praktisch das Gleiche. Es ist essentiell, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und mal nach innen zu schauen, um über das eigene Leben zu reflektieren. Wer sich selbst kennt und wertschätzt und danach handelt, wird sich zwangsläufig vorwärts in Richtung Gesundheit, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit bewegen. Nichts ist ungesünder, als „artfremd“ zu leben, immer mit der Außenwelt und ihrem Management beschäftigt zu sein, vor Stille und dem Fühlen von sich selbst davon zu rennen und sich in Rollen und Anforderungen einzupassen, die nicht zu einem gehören. 

 

Perfekt zu sein, was immer das bedeuten soll, ist ein riesiger Glücksverhinderer. Mit sich selbst als menschlichem Wesen und der eigenen Lebensgeschichte ins Reine zu kommen, ist essentiell. Glück ist nicht etwas, was einfach wie ein Gegenstand da ist. Oft ist es einfach verdeckt durch Hektik, Stress und emotionale Belastungen. Die Fähigkeit, Glück zu empfinden, Schönes zu erkennen und zu genießen hat nichts mit Anstrengung und Leistung zu tun. Empfinden braucht Zeit und Muße. 

 

Und natürlich lässt sich mehr Gesundheit und Glück auch aktiv „produzieren“. Dies beginnt mit dem ersten Schritt nämlich die volle Verantwortung für sich selbst und sein Befinden zu übernehmen, also das Ruder in die eigenen Hände zu nehmen und nicht mehr darauf zu warten, dass sich die Umstände oder andere Menschen ändern. Manchmal ist der Leidensdruck so groß, dass man sich entschließt, die Ablenkung und das sich Betäuben sein zu lassen und sich auf den Weg zu machen. Welche Glücksgesetze es für Neugierige dabei so gibt und wie wir auf Kurs kommen in Richtung Gesundheit, innerer Zufriedenheit und sinnvollem Dasein, das gibt es mit praktischen Übungen, Reflektionen und einem zusätzlichen gratis Videokurs in „Schnell & sicher ins Burnout“ - das etwas andere Burnout-Buch. mei

 

Buchhinweis: Uma Ulrike Reichelt „Schnell & sicher ins Burnout – 5 Glücksgesetze, die Sie missachten müssen, um schnell alt, krank und unglücklich zu werden“, Dielus Edition, Leipzig 2017, 19,99 Euro, 181 Seiten