Wolfgang Schäuble: Das Klimapaket darf den Bundesbürgern nicht als Wohltat verkauft werden

In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) sagte Schäuble: "Das wäre falsch. Es gibt Klimaschutz nicht zum Nulltarif." Heizen und Tanken würden teurer, auch wenn eine höhere Pendlerpauschale, niedrigere Strompreise und billigere Bahntickets bestimmte Härten abfedern sollten. 

 

"Wir werden unser Leben verändern müssen", stellte Schäuble klar. Als Beispiel nannte er den Massentourismus. "Sicher ist es ein großes Glück, einfach mal auf die Malediven zu fliegen oder Venedig zu besuchen. Aber künftig sollten wir von diesem Glück sparsameren Gebrauch machen", forderte der Unionspolitiker. Der Umstieg in ein klimabewusstes Leben sei aber zu meistern: "Wir haben in der Geschichte viel größere Herausforderungen bewältigt." Auf den Protest gegen die geplanten CO2-Preise reagierte Schäuble gelassen: "Alle klagen! Wer nicht klagt, macht etwas falsch, denn er tritt nicht für seine Interessen ein." Es gebe Heerscharen von Verbänden und Lobbyisten, deren Daseinszweck genau dies sei. Zugleich rief der Bundestagspräsident aber dazu auf, sich in der Klimadebatte nicht "in einen permanenten Erregungszustand" hineinzusteigern. "Das vernebelt den Verstand", sagte Schäuble der "NOZ". Er fügte hinzu: "Wir stehen nicht unmittelbar vor dem Abgrund, wir sollten uns also von niemandem ins Bockshorn jagen lassen." 

 

Alles tun, damit sich jüdische Menschen sicher fühlen

 

Unterdessen teilte Schäuble die Besorgnis der Juden in Deutschland über das Erstarken der AfD. "Dass die jüdischen Gemeinden das Auftreten der AfD umtreibt, ist doch nachvollziehbar", sagte Schäuble. Er rief dazu auf, "alles zu tun, dass Juden sich bei uns sicher fühlen". Vor dem Hintergrund, dass rechtsextremes Denken offenkundig schon weit in die Gesellschaft eingesickert sei und Juden bereits über Emigration nachdächten, erklärte Schäuble: "Das hätte ich nicht für möglich gehalten in einem Land, zu dessen Vergangenheit Adolf Hitlers NS-Diktatur und der Holocaust gehören. Ich glaubte lange, dass Antisemitismus in Deutschland nie wieder einen Platz finden wird." Der Parlamentspräsident sagte: "Nun, da wir es leider anders erleben, muss die klare Ansage in Politik und Gesellschaft umso mehr lauten: Neonazismus, Faschismus und gewaltbereiten Extremismus akzeptieren wir unter gar keinen Umständen." 

 

Unsere Gesellschaft ist gewalttätiger geworden

 

Es sei zwar ein "schlimmes Signal", dass Synagogen oder andere jüdische Einrichtungen von Polizisten geschützt werden müssten, aber dies sei aus Sicherheitsgründen notwendig. "Leider ist unsere Gesellschaft gewalttätiger geworden, außerdem werden verstärkt Konflikte dieser Welt in unser Land getragen", sagte der frühere Bundesinnenminister. Die Lage von Juden in Europa sei neben dem erstarkten Rechtsextremismus auch durch einen zugewanderten Antisemitismus schwieriger geworden. "Wir sollten uns davor hüten, bei diesem sensiblen Thema zu pauschalisieren, aber wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, dass es eine politisch geschürte Radikalisierung unter Muslimen gibt", so Schäuble. Es sei daher richtig, dass der gegenwärtige Ressortchef Horst Seehofer (CSU) ein Gesetz zur Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus und der Hasskriminalität plane. pm. ots

 

English version

 

Bundestag President Wolfgang Schäuble (CDU) has warned against "selling the Federal Government's climate package to people as a social benefit". In an interview with the "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ), Schäuble said: "That would be wrong. There is climate protection not for free." Heating and refueling would be more expensive, even if a higher commuter allowance, lower electricity prices and cheaper train tickets should cushion certain hardships. 

 

"We will have to change our lives", Schäuble made clear. As an example he cited mass tourism. "It is certainly a great fortune to simply fly to the Maldives or visit Venice. But in future we should make more economical use of this luck", demanded the Union politician. The changeover to a climate-conscious life can be mastered, however: "We have overcome much greater challenges in history. Schäuble reacted calmly to the protest against the planned CO2 prices: "Everyone is complaining! Those who don't complain are doing something wrong, because they are not standing up for their interests." There were legions of associations and lobbyists whose raison d'être was precisely this. At the same time, however, the President of the Bundestag called for not getting "into a permanent state of agitation" in the climate debate. "This clouds the mind", Schäuble told the "NOZ". He added: "We are not on the brink of the abyss, so we should not let anyone push us into a state of folly." 

 

Do everything to make Jewish people feel safe

 

Meanwhile, Schäuble shared the concern of the Jews in Germany about the strengthening of AfD. "It is understandable that the Jewish communities are concerned about the appearance of the AfD," said Schäuble. He called for "everything possible to make Jews feel safe with us". In view of the fact that right-wing extremist thinking has obviously already infiltrated society and Jews are already thinking about emigration, Schäuble explained: "I would not have thought this possible in a country whose past includes Adolf Hitler's Nazi dictatorship and the Holocaust. For a long time I believed that anti-Semitism would never again find a place in Germany." The President of Parliament said: "Now that we are unfortunately experiencing it differently, the clear message in politics and society must be all the more clear: We will not accept neo-Nazism, fascism and violent extremism under any circumstances." 

 

Our society has become more violent

 

Although it was a "bad signal" that synagogues or other Jewish institutions had to be protected by police, this was necessary for security reasons. "Unfortunately, our society has become more violent, and more and more of the world's conflicts are brought to our country," said the former Federal Minister of the Interior. The situation of Jews in Europe had become more difficult, he said, due to the rise of right-wing extremism and also to immigrant anti-Semitism. "We should beware of generalizing on this sensitive issue, but we must also not close our eyes to the fact that there is a politically fomented radicalization among Muslims," Schäuble said. It is therefore right that the current head of department Horst Seehofer (CSU) is planning a law to combat violent right-wing extremism and hate crime. pm. ots, mei