Immer mehr Gewalt in den Amtsstuben

 

Alltag eines Polizisten. „Nach dem Verlassen der Dienststelle fielen mir nach circa fünf Minuten Weg zur Straßenbahn hinter mir zwei Gestalten auf. Ich nahm darauf hin einen Umweg und sie folgten mir, bis sich einer vor mich setzte und mir den Weg versperrte“, berichtet der Beamte der hessischen Polizei. Danach muss er sich von seinen kräftigen, bärtigen Verfolgern noch Beleidigungen und Drohungen gefallen lassen.

 

Das ist nur ein Fallbeispiel, das in der aktuellen Studie zu Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Hessen aufgeführt ist. Studienautorin ist die Professorin Britta Bannenberg, Rechtswissenschaftlerin und Kriminologin an der Universität Gießen. Die Wissenschaftlerin und ihr Team haben im Rahmen der Studie unter anderem zahlreiche Polizisten, Lehrer sowie andere Beschäftigte des öffentlichen Diensts befragt. 

Auftraggeber der Studie war der hessische Landesverband des Deutschen Beamtenbundes (ddb). Nach Einschätzung des ddb-Landesvorsitzenden Heini Schmitt sind Bedienstete des öffentlichen Dienstes in Hessen zunehmend mit Gewaltandrohungen und Gewalt konfrontiert.

 

Verschiedene Berufsfelder des öffentlichen Dienstes wurden untersucht

 

Im Rahmen einer Online-Befragung wurden die Berufsfelder Polizei, Schule, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Justizvollzug und Gerichtsvollzieher untersucht. „Polizeibeamte erleben in Einzelfällen und in der Summe gravierende Gewalt und sind in der Häufigkeit der Vorkommnisse am höchsten belastet“, so Bannenberg. Interessant sei aber, dass diese Berufsgruppe sich trotz der häufigen Konfrontation mit Aggressionen und Gewalttätigkeiten sich „relativ sicher“ fühlten. Nur neun Prozent der Polizisten, so die Studie, fühlten sich „unsicher“. Das hohe Sicherheitsgefühl bei den Polizisten führen die Wissenschaftler auf deren gute Ausbildung zurück. Bei den Tätern, die Polizisten attackierten, handele es sich in der großen Mehrzahl um junge Einzeltäter, vielfach mit Migrationshintergrund.

 

Justizvollzugsbeamte und Gerichtsvollzieher leben gefährlich

 

Gefährlich leben in ihrem Berufsalltag auch die Justizvollzugsbeamten und die Gerichtsvollzieher. Diese Berufsgruppen seien fast täglich körperlichen Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt. Kaum einer sei noch nicht beleidigt (70 Prozent allein im vergangenen Jahr) worden. Rund 90 Prozent wurden laut Studie in ihrem Berufsleben schon einmal bedroht. „Das Anspucken ist häufig und körperliche Angriffe – bis hin zu Tötungsversuchen – stellen im gesamten Berufsleben eine hohe Gewaltbelastung dar“, sagt Bannenberg. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass sich viele Angehörige (über 50 Prozent) dieser Berufsgruppe bei ihrer Dienstausübung „unsicher“ fühlten.

 

Lehrer erleben Aggression in ihrem Schulalltag

 

Auch Lehrer würden im Schulalltag in erheblichen Maße, teilweise mehrfach, bedroht, beleidigt und respektlos behandelt sowie beschimpft. Die Täter seien überwiegend Schüler aller Altersstufen, wobei der Schwerpunkt auf männlichen (81 Prozent) Einzeltätern (60 Prozent) unter 20 Jahren (75 Prozent) liege. Andererseits machten Lehrer auch Gewalterfahrungen mit drei oder mehr Tätern (26 Prozent). Häufig seien unter den Tätern auch  Eltern der Schüler und „Fremde“ zu finden. 

 

Körperliche Angriff auf Mitarbeiter von Arbeitsagentur und Jobcenter

 

Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen sind auch die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit und der Jobcenter ausgesetzt. Körperliche Angriffe kommen bei dieser Berufsgruppe ebenfalls vor, so die Studie. Letztere treten vermehrt bei den Mitarbeitern des Jobcenters auf. Der Grund: Diese Berufsgruppe habe es häufig mit einer „schwierigen und aggressiven Klientel“ zu tun. Vor diesem Hintergrund hätten die Mitarbeiter ein hohes Sicherheitsbedürfnis und wünschten sich mehr Unterstützung und Hilfe durch ihre Vorgesetzte.

 

Mehr Hilfe durch Vorgesetzte wünschen sich die Betroffenen

 

Mehr Hilfe durch Vorgesetzte wünschen sich zum Beispiel auch die Pädagogen, die beschimpft oder bedroht wurden. So gab eine Lehrerin zu Protokoll, dass sie nach einem bedrohlichen „Vorfall“ in ihrer Schule, ihren Schulleiter und sogar das Schulamt darüber in Kenntnis setzte. Doch ihr „Fall“ sei unter den Teppich gekehrt worden. Offenbar sollte die Schule der betroffenen Lehrerin nicht in ein schiefes Licht in der Öffentlichkeit geraden. Damit sich solche Fälle nicht wiederholten, macht sich dbb-Chef Schmitt dafür stark, dass jede Gewalttätigkeit gegen öffentliche Bedienstete strafrechtlich verfolgt und geahndet wird. In die gleiche Kerbe schlägt auch Hessens Innenminister Peter Beth (CDU). Er erneuerte seine Forderung nach einer bundesweiten Gesetzesverschärfung. Auf Beleidigungen und handfeste Übergriffe gegen Einsatzkräfte müssten unmissverständliche Verurteilungen folgen. mei