Warum die wirtschaftspolitischen Corona-Maßnahmen die Finanzmärkte in der EU nur kurzfristig stabilisierten - Dauerhafter Stabilisierungsfonds kann helfen

Allein in Deutschland überschreiten die geplanten Hilfen und Garantien die Billionengrenze. Doch sind sie auch wirksam? Dieser Frage, die gerade vor dem Hintergrund des von der EU vorgeschlagenen Wiederaufbaufonds noch mal an Relevanz gewinnt, sind vier Ökonominnen und Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in einer aktuellen Studie nachgegangen.

 

Zwar ließen sich die langfristigen Effekte auf die Realwirtschaft zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht quantifizieren, doch lasse sich bereits jetzt ablesen, dass die Ankündigungen an den Finanzmärkten im Schnitt kurzfristig nur geringfügig stabilisierend gewirkt haben.

 

Wirtschaftspolitische Maßnahmen teilweise verpufft

 

Die Veränderungen der Staatsanleiherenditen und der Aktienkurse in den vier größten Volkswirtschaften der EU – Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – zeigten nach den DIW-Modellberechnungen, dass die Ankündigungen wirtschaftspolitischer Corona-Maßnahmen an den Finanzmärkten kurzfristig teilweise verpufft seien. Insbesondere die geldpolitischen Ankündigungen der EZB haben die Staatsanleihemärkte nicht unmittelbar beruhigt, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre. „Von der nur sehr zurückhaltenden ersten EZB-Ankündigung am 12. März waren die Märkte eher enttäuscht. Die Staatsanleiherenditen sind sogar weiter gestiegen statt gefallen“, erläutert Studienautorin Geraldine Dany-Knedlik.

 

Krise fällt noch schlimmer aus, als erwartet

 

Doch auch die Ankündigung des Notfallankaufprogramms PEPP habe die Anleihemärkte kurzfristig nicht wirklich stabilisieren können. Einen möglichen Grund sehen die Ökonominnen und Ökonomen darin, dass der Umfang des Programms den Märkten signalisiert haben könnte, dass die Auswirkungen der Krise noch schlimmer als erwartet ausfallen. Dennoch lasse sich davon ausgehen, dass die ausreichende Bereitstellung von Liquidität für den Bankensektor in naher Zukunft dazu beitragen wird, die Zweitrundeneffekte der Krise – zum Beispiel eine Verknappung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft sowie eine zunehmende Anzahl Not leidender Kredite – zu bewältigen.

 

Lockerungen von Regulierungen zeigten Wirkung

 

Kurzfristig stabilisierend gewirkt haben hingegen angekündigte Lockerungen von Regulierungen, so die Aussetzung der EU-Defizitregeln, die Aufgabe der schwarzen Null in Deutschland, aber auch Lockerungen bei der Bankenregulierung. „Dies deutet daraufhin, dass diese Regulierungen allein schon dadurch wirken, dass man sie in Krisenfällen aussetzen oder lockern kann“, sagt Studienautor Stefan Gebauer. Dies war vor allem dann effektiv, wenn die Ankündigungen zeitgleich erfolgten. „Dies spricht dafür, dass im Krisenfall viele Marktteilnehmer eine Lockerung der Regulierung kurzfristig zielführender finden, um die Realwirtschaft zu unterstützen, als einen regulierten Bankensektor oder eine Schuldenbremse, auch wenn die langfristigen Effekte solcher Lockerungen ungewiss sind.“

 

Nationale Pakete hatten wenig Wirkung

 

Die nationalen finanzpolitischen Hilfspakete hätten dagegen für sich genommen wenig Wirkung. Lediglich das in Deutschland am 23. März angekündigte Hilfspaket stabilisierte sowohl die Anleihe- als auch die Aktienmärkte signifikant. Demnach wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass die im Umfang dem deutschen Hilfspaket ähnliche Drei-Säulen-Strategie der EU, die Anfang April angekündigt wurde, ebenfalls die Finanzmärkte beruhigt. „Tatsächlich wurde das große Hilfspaket der EU aber an den Märkten nur sehr verhalten aufgenommen, was sich vermutlich dadurch erklärt, dass es recht spät kam“, erklärt DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth. Zu diesem Zeitpunkt waren die nationalen Hilfspakete schon alle geschnürt. „Um schneller und gezielter in künftigen Krisen zu reagieren, sollte ein europäischer Mechanismus, wie beispielsweise ein dauerhaft angelegter Stabilisierungsfonds, etabliert werden. Der nun von der EU geplante Wiederaufbaufonds könnte damit in die richtige Richtung gehen. Allerdings müsste er zu einem dauerhaften Mechanismus ausgebaut werden“, empfiehlt Studienautor Marius Clemens. pm, diw

 

English version

 

The Corona crisis has hit Europe with full force. The economic policy countermeasures taken at central bank, EU and national level are correspondingly extensive. In Germany alone, the planned aid and guarantees exceed the trillion mark. But are they also effective? Four economists from the German Institute for Economic Research (DIW Berlin) have investigated this question, which is becoming even more relevant against the background of the reconstruction fund proposed by the EU, in a recent study.

 

Although the long-term effects on the real economy cannot yet be quantified at this point in time, it is already clear that the announcements on the financial markets have on average had only a minor stabilising effect in the short term.

 

Economic policy measures partly fizzled out

 

According to the DIW model calculations, the changes in government bond yields and stock prices in the four largest EU economies - Germany, France, Italy and Spain - showed that the announcements of economic policy corona measures on the financial markets had partly evaporated in the short term. In particular, the ECB's monetary policy announcements did not immediately calm the government bond markets, as might have been expected. "The markets were rather disappointed by the ECB's very cautious first announcement on 12 March. In fact, government bond yields rose further instead of falling," explains study author Geraldine Dany-Knedlik.

 

Crisis turns out even worse than expected

 

However, even the announcement of the emergency purchase program PEPP was not really able to stabilize the bond markets in the short term. Economists see a possible reason for this in the fact that the scope of the programme may have signalled to the markets that the effects of the crisis are even worse than expected. Nevertheless, economists believe that the provision of sufficient liquidity to the banking sector in the near future will help to cope with the second-round effects of the crisis, such as a shortage of credit to the real economy and an increasing number of non-performing loans.

 

Regulatory loosening has had an impact

 

In contrast, announced regulatory loosening, such as the suspension of EU deficit rules, the abandonment of the black zero in Germany, but also loosening of banking regulations, had a stabilizing effect in the short term. "This indicates that these regulations have an effect simply by the fact that they can be suspended or relaxed in crisis situations," says study author Stefan Gebauer. This was particularly effective if the announcements were made at the same time. "This suggests that, in the event of a crisis, many market participants find a relaxation of regulation more effective in the short term to support the real economy than a regulated banking sector or a debt brake, even if the long-term effects of such relaxation are uncertain.

 

National packages had little impact

 

The national fiscal aid packages, on the other hand, would have little effect on their own. Only the aid package announced in Germany on 23 March significantly stabilised both the bond and stock markets. Accordingly, the EU's three-pillar strategy, which was announced at the beginning of April and is similar in scope to the German aid package, should have been expected to also calm the financial markets. "In fact, however, the EU's major aid package was received very cautiously by the markets, which is probably explained by the fact that it came rather late," explains DIW economist Kerstin Bernoth. At this point, the national aid packages had all been put together. "In order to react faster and more specifically in future crises, a European mechanism, such as a permanent stabilisation fund, should be established. The reconstruction fund now planned by the EU could thus move in the right direction. However, it would have to be expanded into a permanent mechanism," recommends study author Marius Clemens. pm, diw, mei