Fleischkonzern-Chef Clemens Tönnies: "Ich stehle mich nicht aus der Verantwortung"

"Wir haben uns immer an Recht und Gesetz gehalten", sagt der Chef von Deutschlands größtem Schlacht-konzern im Interview mit dem in Bielefeld erscheinenden Westfalen-Blatt .

 

"Wir wissen bis heute nicht, welchen Rechtsbruch wir begangen haben sollen. All die Kritiker haben bis dato nicht eine einzige konkrete Aussage dazu getroffen", erklärt Tönnies. "Viele Aussagen kommen von Leuten, die daraus politisches Kapital schlagen wollen, die mich und unser Unternehmen dafür nutzen wollen. Ich stehle mich aus keiner Verantwortung. Doch ich bin nicht Corona." 

 

"Das ist für mich eine Frechheit"

 

Auch die Empörung über den Antrag auf Erstattung von Lohnkosten vom Land NRW kann der Chef des Fleischkonzerns nicht nachvollziehen: "Die Frage ist doch: Ist unser Mitarbeiter weniger wert als andere Beschäftigte, die auch Quarantänehilfen bekommen? Das ist für mich eine Frechheit. Wir müssen verhindern, dass Mitarbeiter hier stigmatisiert werden und Dienstleister, die ja nicht nur bei uns arbeiten, in die Insolvenz getrieben werden." NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte zuletzt bekräftigt, dass das Land alles daran setzen werde, "dass Tönnies keinen Cent erhält". Diesbezüglich will der Konzernchef notfalls Gerichte einschalten: "Darüber wird im Zweifelsfall auch Recht gesprochen werden." 

 

Mögliche Rechtsverstöße sachlich aufarbeiten

 

Im laufenden Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführung des Konzerns wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz kooperiere das Unternehmen vollumfänglich, sagt Tönnies. "Wenn man uns Rechtsverstöße vorwirft, dann werden wir das sachlich abarbeiten." 

 

Tönnies sieht keine schweren Versäumnisse des Unternehmens

 

Schwere Versäumnisse im Kampf des Unternehmens gegen das Virus sieht Tönnies nicht - im Gegenteil: "Wir sind sehr ernsthaft an das Thema Corona herangegangen, haben früh angefangen, Schutzhürden aufzubauen." Dazu zähle auch ein im Mai eingerichtetes eigenes Testcenter. "Dort haben wir alle Mitarbeiter getestet, die längere Zeit nicht im Betrieb waren oder aus dem Urlaub gekommen sind. Letztlich war es dann ja auch Mitte Juni unsere eigene Testreihe, die ersichtlich gemacht hat, dass wir Auffälligkeiten haben." 

 

"Wir sind intensiv kontrolliert worden"

 

Zu Arbeitsschutzkontrollen Mitte Mai, bei denen zu geringe Abstände zwischen Mitarbeitern in der Produktion, zwischen Nutzern der Kantine sowie das nicht korrekte Tragen von Mund-Nasen-Schutz beanstandet worden waren, sagt Tönnies: "Wir sind intensiv kontrolliert worden. Uns ist bescheinigt worden, dass unser Konzept in vollem Einklang mit den Vorgaben und Empfehlungen der Behörden steht. Einzelne Beanstandungen in der Umsetzung sind umgehend abgestellt worden." 

 

Die Umluftkühlung war ursächlich für die Ansteckungen

 

Anders als von Kritikern behauptet, sei die Infektion von mehr als 1400 Mitarbeitern nicht auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der osteuropäischen Werkvertragsarbeiter zurückzuführen, bekräftigt Tönnies: Der Bonner Hygiene-Professor Martin Exner habe "ermittelt, dass die Umluftkühlung, die eigentlich jeder Fleischbetrieb hat, ursächlich für die plötzliche und massive Ausbreitung ist. Er hat auch klar gesagt, dass das kein Tönnies-Problem ist. Sondern ein neues Phänomen, das zuvor nicht bekannt war. Ein Problem der Branche - und zwar weltweit." 

 

Gibt es noch keine behördlich Anordnung

 

Tönnies zufolge "gibt es momentan weltweit 172 Betriebe unserer Art, die stillstehen oder stillgestanden haben. Auch hier sehen wir, das ist kein Tönnies-Fall", erklärt der Konzernchef. "Wir werden jetzt alle Betriebe umrüsten. Es ist wichtig, dass die Standards jetzt vom Gesetzgeber verpflichtend für alle vorgegeben werden. Meines Wissens gibt es bislang dafür noch keine behördliche Anordnung." 

 

Tönnies steht zu seiner unternehmerischen Verantwortung

 

Tönnies betont, er stehe zu seiner unternehmerischen Verantwortung. "Wir haben in erster Linie für unsere Mitarbeiter, für die Bauern und unsere Kunden dafür zu sorgen, dass wir eine sichere Produktion haben. Ich fühle mich verantwortlich und bin immer einer, der Probleme abstellt, wenn sie auftauchen." Zugleich kündigt der Konzernchef an, Veränderungen im Umgang mit den Werkvertragsarbeitern vorantreiben zu wollen. "Hier werden wir weitere Schritte gehen. Wir werden die Wohnsituation der Beschäftigten in unsere Verantwortung bringen. Wir wollen, dass die 30 Prozent der Mitarbeiter, die heute nicht privat wohnen, zu einem vorgegebenen Standard wohnen können."

 

Werkvertragsarbeiter werden Branche wechseln

 

Mit Blick auf die von der Bundesregierung zum Jahreswechsel geplante Abschaffung von Werkverträgen in der Fleischindustrie sagt Tönnies, dass bis September zunächst 1000 bisherige Werkvertragsarbeiter direkt bei Firmen der Gruppe angestellt werden sollen - konzernweit werden derzeit 9333 der 18.734 Beschäftigten von Subunternehmen gestellt. "Wir werden aber auch eine nicht unerhebliche Abwanderung haben von Mitarbeitern, die das System des Werkvertragsarbeiters weitermachen wollen. Ich sehe die Leute dann bei Amazon, der Meyer-Werft oder anderen Branchen." Dann müsse man "schauen, inwieweit die Veredelung in Deutschland noch aufrechterhalten werden kann. Das wird der Markt zeigen", erklärt der Konzernchef. 

 

Mindestlohn für Fleischwirtschaft erheblich erhöhen

 

Er spricht sich zudem dafür aus, "den Mindestlohn für die Fleischwirtschaft erheblich zu erhöhen und allgemeinverbindlich zu machen". Dabei schränkt er ein: "Das wird aber im Verband noch diskutiert. Das kann ich nicht alleine machen, da muss die Branche insgesamt mitziehen." Angesprochen auf die zwischenzeitlichen Einschränkungen für 640.000 Bürger in den Kreisen Gütersloh und Warendorf nach dem Corona-Ausbruch im Fleischkonzern sagt der Unternehmer: "Natürlich leide ich emotional, weil der Kreis Gütersloh meine Heimat ist. Und natürlich leide ich mit den Menschen, die einen Lockdown über sich ergehen lassen mussten."

 

Keine finanzielle Wiedergutmachung

 

Forderungen zu finanziellen Wiedergutmachungen oder der Übernahme von Kosten im Zuge der Krise erteilt Tönnies aber eine Absage - mit einer Ausnahme: "Ich habe diese Pandemie nicht erfunden. Mir tut es unendlich leid, dass wir der Auslöser des Lockdowns waren. Deswegen habe ich mich verpflichtet, jeder Bürgerin und jedem Bürger im Kreis Gütersloh im Lockdown einmalig den Corona-Test zu bezahlen. Auch wenn es am Ende 70.000 Tests sind. Das ist konkret und das werde ich auch machen. Aber das ist Goodwill. Wenn einige jetzt sagen, der Deckel mit den Kosten wird immer größer, ist das nicht redlich. 

 

Morddrohungen gegen die Familie

 

Mit Blick auf Anfeindungen ihm gegenüber sagt Tönnies: "Was mich getroffen hat, sind auch einige ernstzunehmende Morddrohungen gegen meine Familie und mich. Das belastet einen natürlich." Offen zeigt sich der Konzernchef für Ankündigungen der Politik, einen Aufschlag beim Fleischpreis einführen zu wollen. "Das wird sich im Laden garantiert nicht unerheblich auswirken. Wir haben kein Problem damit, wenn das für alle gleichermaßen gilt. Der Verbraucher muss wissen, dass er tiefer in die Tasche greifen muss." 

 

Zeit für Wechsel an der Konzernspitze ist noch nicht gekommen

 

Rücktrittsforderungen weist Clemens Tönnies derweil erneut zurück. Die Zeit für einen Wechsel an der Konzernspitze - seinem Sohn Maximilian (30) werden Ambitionen nachgesagt - sei noch nicht gekommen. "Zuallererst will ich dieses Schiff wieder richtig flottmachen", sagt Tönnies. "Es geht jetzt erst einmal um die gesamte landwirtschaftliche Produktionskette in Deutschland. Die Bauern brauchen eine Perspektive und wir sorgen mit unserem Betrieb dafür, dass die Wertschöpfung funktioniert und der Schweinepreis wieder nach oben geht."

pm, ots

 

English version

 

Following the massive corona outbreak at the meat plant in Rheda-Wiedenbrück, Group CEO Clemens Tönnies (64) rejects the serious accusations against him and the company. "We have always abided by law and order," says the head of Germany's largest slaughterhouse group in an interview with the Bielefeld-based Westfalen-Blatt.

 

"To this day we still do not know which breach of law we are supposed to have committed. All the critics have not yet made a single concrete statement about it," explains Tönnies. "Many statements come from people who want to make political capital out of it, people who want to use me and our company to do so. I am not shirking any responsibility. But I am not Corona." 

 

"This is an insult to me"

 

Nor can the head of the meat company understand the indignation about the application for reimbursement of wage costs from the state of NRW: "The question is: Is our employee worth less than other employees who also receive quarantine aid? That is an impertinence to me. We have to prevent employees from being stigmatized here and service providers who do not only work for us from being forced into insolvency". NRW Labour Minister Karl-Josef Laumann (CDU) had recently confirmed that the state would do everything in its power to ensure "that Tönnies does not receive a cent". In this regard, the head of the company wants to call in the courts if necessary: "In case of doubt, justice will also be done about this". 

 

Dealing with possible legal violations objectively

 

The company is cooperating fully in the ongoing preliminary proceedings against the group's management on the initial suspicion of negligent bodily injury and violation of the Infection Protection Act, says Tönnies. "If we are accused of legal violations, we will deal with them objectively." 

 

Tönnies sees no serious negligence on the part of the company

 

Tönnies does not see any serious failures in the company's fight against the virus - on the contrary: "We approached the subject of corona very seriously, and started to set up protective barriers early on. This includes a test centre set up in May. "There, we tested all employees who had not been in the company for a long time or who had come home from vacation. Ultimately, it was our own series of tests in mid-June that revealed that we had anomalies." 

 

"We have been intensively monitored"

 

Regarding occupational safety inspections in mid-May, during which complaints were made about insufficient distances between employees in production, between users of the canteen and the incorrect wearing of mouth and nose protectors, Tönnies says: "We have been intensively inspected. We have been certified that our concept is in full compliance with the requirements and recommendations of the authorities. Individual complaints regarding the implementation have been rectified immediately. 

 

The recirculation cooling system was the cause of the contagions

 

Contrary to what critics claim, the infection of more than 1400 employees is not due to the living and working conditions of the Eastern European contract workers, Tönnies affirms: Bonn hygiene professor Martin Exner has "determined that the convection cooling system that is actually found in every meat plant is the cause of the sudden and massive spread. He has also clearly stated that this is not a Tönnies problem. It is a new phenomenon that was not known before. A problem for the industry - worldwide." 

 

Hasn't there been an official order yet

 

According to Tönnies, "there are currently 172 companies of our kind worldwide that are at a standstill or have come to a standstill. Here too, we can see that this is not a Tönnies case", explains the CEO. "We will now convert all plants. It is important that the legislator now makes the standards mandatory for everyone. As far as I know, there is no official directive for this yet. 

 

Tönnies stands by his corporate responsibility

 

Tönnies emphasises that he stands by his corporate responsibility. "First and foremost, we have to ensure that we have safe production for our employees, for the farmers and for our customers. I feel responsible and am always one to stop problems when they arise." At the same time, the CEO announced that he wants to push for changes in the way we treat contract workers. "Here we will take further steps. We will make the housing situation of the employees our responsibility. We want the 30 percent of employees who do not live privately today to be able to live to a predetermined standard."

 

Contract workers will change industry

 

With regard to the abolition of work contracts in the meat industry planned by the Federal Government at the turn of the year, Tönnies says that until September, 1000 existing work contract workers will initially be employed directly by companies of the group - group-wide, 9333 of the 18,734 employees are currently provided by subcontractors. "However, we will also have a not inconsiderable migration of employees who want to continue the system of contract workers. I'll see those people at Amazon, the Meyer shipyard or other industries." Then you have to "see to what extent finishing in Germany can still be maintained. The market will show that", explains the CEO. 

 

Minimum wage for meat industry to be increased considerably

 

He also advocates "a substantial increase in the minimum wage for the meat industry and making it generally binding". In doing so, he restricts: "However, this is still being discussed in the association. I can't do it alone, the industry as a whole must follow suit. Asked about the interim restrictions for 640,000 citizens in the Gütersloh and Warendorf districts after the corona outbreak in the meat industry, the entrepreneur says: "Of course I am suffering emotionally because the Gütersloh district is my home. And of course I suffer with the people who had to endure a lockdown."

 

No financial compensation

 

However, Tönnies rejects any demands for financial reparations or the assumption of costs in the course of the crisis - with one exception: "I did not invent this pandemic. I am infinitely sorry that we were the trigger for the lockdown. That's why I have committed myself to paying each citizen in the Gütersloh district once for the corona test during the lockdown. Even if in the end there are 70,000 tests. That is concrete and that is what I will do. But that's goodwill. If some people now say that the lid is getting ever higher with the costs, that's not fair. 

 

Death threats against the family

 

With regard to hostility towards him, Tönnies says: "What has hit me are also some serious death threats against my family and me. It's a burden, of course." The CEO is open to political announcements about a surcharge on meat prices. "This will have a significant impact on the store. We have no problem with that if it applies equally to everyone. "The consumer must know he has to dig deeper into his pockets." 

 

It's not yet time for a change at the top of the company

 

Meanwhile, Clemens Tönnies rejects claims for withdrawal once again. The time for a change at the top of the company - his son Maximilian (30) is said to be ambitious - has not yet come. "First and foremost, I want to get this ship properly refloated," says Tönnies. "First of all I want to get this ship going again," says Tönnies. The farmers need a perspective and we are making sure with our farm that the value creation works and the pig price goes up again. pm, ots, mei