Corona: Eine Fülle von Fehleinschätzungen der Regierenden - Das Jahrhundert der Pandemien hat begonnen

Das sagte Münkler der "Heilbronner Stimme". Zugleich sei bei den Bürgerinnen und Bürgern eine "zunehmende Sehnsucht" nach einem intakten Draußen erkennbar. Er bezeichnet den Coronavirus-Ausbruch nicht als Jahrhundert-Pandemie.

 

Vielmehr habe mit Covid-19 "ein Jahrhundert der Pandemien begonnen".

Der Politologe sagte im Interview mit Blick auf den 11. März 2020, als die WHO den Virus-Ausbruch zur Pandemie erklärte: "Am Anfang herrschte eine Stimmung, die uns in eine Falle geführt hat. Man sagte, das Danach wird so sein wie das Davor. Es war ein großer Trugschluss. Wir müssen davon ausgehen, dass wir auf viele Jahre hinaus ein Corona-Regime haben werden."

 

Wertschätzung der Natur

 

Zu Veränderungen im Zuge der Pandemie sagte Münkler: "Ich glaube, dass die Wertschätzung des Hinausgehens in die Natur als Folge dieser Corona-Krise weiter zunehmen wird. Es gibt erkennbar eine zunehmende Sehnsucht nach Draußen. Vielleicht wird sich mit diesem Hinausgehen auch unser genereller Zugang zur Natur verändern. Rausgehen ist für viele Menschen ein Augenblick, in dem sie das Gefühl der Freiheit empfinden. In mancher Sicht offenbart sich hier etwas, was schon die Romantiker des frühen 19. Jahrhunderts in Gedichtform gefasst haben."

 

Kritik am Umgang mit der Krise

 

Kritik äußerte der Politologe am Umgang der Regierenden mit der Krise. Münkler: "Ein wohl geordneter Staat zeichnet sich dadurch aus, dass Freiheit und Sicherheit keinen Gegensatz bedeuten müssen. Ärgerlich ist, wenn man den Eindruck bekommt, dass Einschränkungen der Freiheit durch ungeschicktes Handeln befördert werden. Wenn wir nun aber auf die vergangenen Monate schauen, dann ist doch festzustellen: Ein Fülle von Fehleinschätzungen der Regierung und das Ungeschick bei der Impfstoff- und Schnelltestbeschaffung zeigen uns, wo die Probleme des Landes liegen - nämlich im administrativen Bereich. Hier müssen wir Abläufe dringend überprüfen. Krisen legen Schwächen und Verwundbarkeiten offen, und wir können daraus lernen."

 

Sorge um den Zusammenhalt

 

Münkler sorgt sich um den Zusammenhalt: "Die Gereiztheit in der Gesellschaft nimmt zweifellos zu. Dennoch gehören etwa die Populisten nicht zu den Gewinnern dieser Krise, was zu befürchten war. Aber sie haben sich mit Pandemieleugnern eingelassen. Damit haben sie insbesondere ältere Menschen und Risikogruppen verschreckt. Der mangelnde Respekt vor den Bedürfnissen von Mitmenschen ist sehr offensichtlich geworden. Er fürchte, dass mit den "seelischen Tumulten, die sich allenthalben abgespielt haben, bei manchem eher das Gegenteil von Resilienz eintritt, nämlich eine notorische Gereiztheit. Genau auf diese steuern wir gerade zu und müssen das ernst nehmen".

 

Ein Exzess der Feigheit

 

Zu Hass und Hetze im Internet sagte Münkler: "Die Pöbeleien darf man nicht verharmlosen, sie gehen schließlich bis zu Gewaltbereitschaft. Leute, die in einer Präsenzveranstaltung den Mund nicht aufbekommen, sind oft die Netztäter. Sie sitzen an ihrem PC und denken, sie könnten unbeobachtet einmal richtig die Sau rauslassen. Wir beobachten hier einen Exzess der Feigheit." Zur historischen Einordnung der Krise sagte der Politologe: "Wir müssen davon ausgehen, dass mit Corona ein Jahrhundert der Pandemien begonnen hat. Covid-19 ist vermutlich nur ein Vorbote weiterer Viren."pm, ots

 

English version

 

Political scientist Herfried Münkler says that freedom and security do not have to be contradictory in a well-ordered state. On the part of the government, he sees a "plethora of misjudgements". Münkler told the newspaper "Heilbronner Stimme". At the same time, he said, there is an "increasing longing" among citizens for an intact outside. He does not call the coronavirus outbreak a pandemic of the century. Rather, with Covid-19, "a century of pandemics has begun".

 

The political scientist said in the interview, referring to 11 March 2020, when the WHO declared the virus outbreak a pandemic: "At the beginning, there was a mood that led us into a trap. It was said that the after would be like the before. It was a big fallacy. We have to assume that we will have a Corona regime for many years to come."

 

Commenting on changes in the wake of the pandemic, Münkler said, "I believe that the appreciation of getting out into nature will continue to increase as a result of this Corona crisis. There is recognisably an increasing longing for the outdoors. Perhaps this going out will also change our general approach to nature. For many people, going outside is a moment in which they feel a sense of freedom. In some ways, this reveals something that the romantics of the early 19th century already put into poem form."

 

Criticism of the handling of the crisis

 

The political scientist voiced criticism of the way those in power are dealing with the crisis. Münkler: "A well-ordered state is characterised by the fact that freedom and security do not have to mean a contradiction. What is annoying is when one gets the impression that restrictions on freedom are promoted by clumsy actions. But if we look at the past months, we can see that there have been many mistakes: A plethora of government misjudgements and the clumsiness of vaccine and rapid test procurement show us where the country's problems lie - namely in the administrative area. Here we urgently need to review procedures. Crises expose weaknesses and vulnerabilities, and we can learn from them."

 

Concern about cohesion

 

Münkler worries about cohesion: "There is no doubt that irritability in society is increasing. Nevertheless, the populists, for example, are not among the winners of this crisis, which was to be feared. But they have got involved with pandemic deniers. In doing so, they have scared off older people and risk groups in particular. The lack of respect for the needs of fellow human beings has become very obvious. He fears that with the "mental turmoil that has taken place everywhere, the opposite of resilience will set in with some people, namely a notorious irritability. This is exactly what we are heading for and we have to take it seriously".

 

An excess of cowardice

 

Regarding hatred and incitement on the internet, Münkler said: "One must not trivialise the incitement, it ultimately goes as far as a readiness to use violence. People who don't open their mouths in a face-to-face meeting are often the net perpetrators. They sit at their PCs and think they can really let off steam unobserved. We are witnessing an excess of cowardice here." On the historical classification of the crisis, the political scientist said: "We have to assume that a century of pandemics began with Corona. Covid-19 is probably just a harbinger of other viruses." pm, ots, mei