Altkanzler Gerhard Schröder: Impfstoff Sputnik V schnell einsetzen - EU-Bürokratie ist überfordert - Mehr Dialog mit Russland

"Man muss die Ideologie bei Seite lassen und sagen: Wir nehmen, was wir kriegen können und was hilft", sagte Schröder bei "19 - die Chefvisite". Vor allem die Europäische Arzneimittelbehörde EMA "sollte flotter vorankommen".

 

Der Chef der Essener Uniklinik, Professor Jochen A. Werner, zeigte sich verwundert, dass die EMA-Prüfung von Sputnik V so lange dauere. Der Impfstoff habe ein "Gütesiegel" durch Untersuchungen erhalten, die in einem "hochkarätigen Fachjournal" publiziert worden seien. "Die Zweifel der EMA treffen auch die Fachzeitschrift", so der Mediziner. Kritik übte Bundeskanzler a. D. Schröder an der Bundesregierung, die "keine nationale Impfreserve aufgebaut" habe: "Da sind Fehler gemacht worden."

 

Strategie von Tests und Kontaktverfolgung

 

Die EU-Bürokratie sei "überfordert" bei der Beschaffung von Impfstoffen für alle Mitgliedsstaaten. Zudem sei es ein Fehler gewesen, nicht gleich zu Anfang der Pandemie auf eine Strategie von Tests und Kontaktverfolgung zu setzen. Angesichts steigender Infektionszahlen bleibe der heute zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tagenden Ministerpräsidentenkonferenz daher wohl nur die Entscheidung zu "zumindest regionalen Verschärfungen des Lockdowns", so Schröder.

 

Gas ist Brückentechnologie

 

Schröder plädierte für mehr Dialog mit Russland. "Die Sanktionspolitik ist gescheitert", sagte er. Sie habe dafür gesorgt, dass sich etwa in der Krim-Frage "die Positionen in Russland nur verhärtet haben". Schröder: "Das nutzt auch der deutschen Wirtschaft nicht." Deutschland dürfe sich als souveräner Staat auch von den befreundeten USA nicht vorschreiben lassen, welcher Energieträger genutzt werde. Verflüssigtes Erdgas, das "woher auch immer" per Schiff geliefert werde, sei zum Beispiel "qualitativ schlechter" und teurer als russisches Gas aus einer Pipeline. Gas werde noch Jahrzehnte gebraucht, um ausreichend Kapazitäten von erneuerbaren Energien aufzubauen: "Die nächsten 20 bis 30 Jahre heißt die Brückentechnologie Gas", so Schröder, der Aufsichtsrat der umstrittenen Ostseepipeline ist. Die Vorstellung, dass Atomkraft die Lücke schließen könne, nannte er "heillos veraltet". pm, ots

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