Corona gefährdet die Freiheitsrechte in der Welt

"Für die Zivilgesellschaft war 2020 kein gutes Jahr. Die Entwicklung der Freiheitsrechte zeigt seit Jahren vor allem nach unten - und das vergangene Jahr markiert einen neuen Tiefpunkt", sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, bei der Vorstellung des "Atlas der Zivilgesellschaft 2021".

 

Das Entwicklungswerk hat den Bericht zum vierten Mal gemeinsam mit dem Netzwerk CIVICUS in Berlin vorgestellt. Fast 90 Prozent der Weltbevölkerung leben demnach in Staaten mit beschränkter, unterdrückter oder geschlossener Zivilgesellschaft. Länder in diesen drei unteren Kategorien sind etwa Ungarn, Ägypten und Indien. Auch die USA sind im letzten Jahr der Amtszeit von Donald Trump aus der zweiten ("beeinträchtigt") in die dritte Kategorie ("beschränkt") abgerutscht. Jeder vierte Mensch - zwei Milliarden weltweit – lebt in einem Staat, der gesellschaftspolitisches Engagement vollständig unterbindet.

 

Dramatische Zuspitzung der Lage

 

Der Atlas der Zivilgesellschaft geht auf Daten-Erhebungen im vergangenen Jahr zurück und erfasst damit auch die dramatische Zuspitzung der Lage während der Corona-Pandemie. "Millionen Menschen auf der ganzen Welt gerieten durch Corona in Existenznot. Sie protestierten für Gerechtigkeit, Zugang zu Pandemie-Nothilfe und ein Ende von Korruption und Veruntreuung", sagt Pruin. "Doch als Antwort darauf bekämpften Regierungen in vielen Ländern nicht die Ursachen für den Protest, sondern den Protest selbst."

 

Grundrechts-Einschränkungen wichtige Prinzipien

 

Der Atlas belegt, dass Grundrechts-Einschränkungen in vielen Ländern wichtige Prinzipien wie Verhältnismäßigkeit oder Notwendigkeit missachteten. "Repressive Regierungen haben die Pandemie als Gelegenheit genutzt, um unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes Kritiker mundtot zu machen", sagt Pruin. "Dabei ist der Zusammenhang eindeutig: Repression verhindert Entwicklung. Gerade 2020 hat gezeigt, dass Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle für die Bewältigung von Krisen spielt - etwa dabei, Bedürftige zu versorgen oder marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben."

 

Verletzung der Grundrechte gestiegen

 

Die Zahlen zeigen jedoch eindeutig, dass die dokumentierten Grundrechts-Verletzungen im Vergleich zu 2019 beinahe in allen Bereichen gestiegen sind: Es wurden mehr Aktivistinnen verhaftet, mehr Journalisten angegriffen und mehr restriktive Gesetze erlassen. Auch Fälle übermäßiger Gewalt staatlicher Sicherheitskräfte haben deutlich zugenommen.

 

Gewalt gegen Frauen nimmt während der Pandemie zu

 

Die Frauenrechtlerin Morena Herrera aus El Salvador etwa beschreibt, dass die Gewalt gegen Frauen in El Salvador während der Pandemie weiter zunahm. Das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden beschreibt sie so: "Meine Organisation hat früher sehr viele Polizisten geschult, etwa in den Themen Frauen- und Menschenrechte oder Gleichberechtigung. Heute aber haben wir keinerlei Vertrauensverhältnis mehr zur Polizei. Sie hat jedes Gefühl für die Gesellschaft und auch für ihre zivile Rolle verloren. Das ist schlimm." Auf den Philippinen hat Präsident Duterte die Methoden seines "War on drugs" auf die Bekämpfung der Pandemie übertragen. Mehr als 100.000 Menschen wurden allein zwischen März und September verhaftet, weil sie sich – so der Vorwurf – nicht an die Pandemie-Regeln hielten.

pm, ots

 

English version

 

"2020 was not a good year for civil society. The development of freedoms has been pointing mainly downwards for years - and the past year marks a new low," says Dagmar Pruin, President of Bread for the World, at the presentation of the "Atlas of Civil Society 2021".

 

The development agency presented the report for the fourth time together with the CIVICUS network in Berlin. According to the report, almost 90 percent of the world's population live in states with limited, suppressed or closed civil societies. Countries in these three lower categories include Hungary, Egypt and India. The USA has also slipped from the second ("impaired") to the third category ("limited") in the last year of Donald Trump's term in office. One in four people - two billion worldwide - live in a state that completely prevents socio-political engagement.

 

Dramatic worsening of the situation

 

The Civil Society Atlas is based on data collected last year and thus also captures the dramatic escalation of the situation during the Corona pandemic. "Millions of people around the world faced livelihood hardship as a result of Corona. They protested for justice, access to emergency pandemic aid and an end to corruption and embezzlement," says Pruin. "But in response, governments in many countries fought not the causes of protest, but the protest itself."

 

Fundamental rights restrictions important principles

 

The Atlas proves that fundamental rights restrictions in many countries disregarded important principles such as proportionality or necessity. "Repressive governments have used the pandemic as an opportunity to silence critics under the guise of protecting health," says Pruin. "Yet the connection is clear: repression prevents development. 2020 in particular has shown that civil society plays an important role in overcoming crises - for example, in providing for the needy or giving marginalised groups a voice."

 

Violation of fundamental rights on the rise

 

However, the figures clearly show that documented violations of fundamental rights have increased almost across the board compared to 2019: More activists were arrested, more journalists were attacked and more restrictive laws were enacted. Cases of excessive force by state security forces have also increased significantly.

 

Violence against women increases during pandemic

 

Women's rights activist Morena Herrera from El Salvador, for example, describes that violence against women in El Salvador continued to increase during the pandemic. She describes the relationship between civil society and the security authorities as follows: "My organisation used to train a lot of police officers, for example in the topics of women's and human rights or equal rights. Today, however, we no longer have any relationship of trust with the police. They have lost any feeling for society and also for their civilian role. That is bad." In the Philippines, President Duterte has applied the methods of his "war on drugs" to fighting the pandemic. More than 100,000 people were arrested between March and September alone for - according to the accusation - not complying with the pandemic rules. pm, ots, mei