EM 2020: Warum sich Bundestrainer Joachim Löw einsam fühlt

Joachim Löw spricht im großen Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit erstmals über die Last und die Leere, die er in seiner 15-jährigen Zeit als Bundestrainer erlebt hat.

 

Es sei furchtbar gewesen, so Löw, alt gedienten Spielern mitzuteilen, dass sie nicht mehr zum Team gehören. "Natürlich berührt mich das, sehr sogar. Manchmal liege ich nachts wach. Ich bin doch auch ein Mensch!" Auf die Frage, warum er sich nicht richtig über den Weltmeistertitel in Brasilien freuen konnte, antwortet Löw: "Nach dem Turnier war ich nicht weit weg von einer depressiven Verstimmung. Nach jedem Turnier ist da eine Leere." Der 61-Jährige hatte sich nach dem WM-Titel zurückgezogen und ein Haus auf Sardinien gemietet. "Ich saß da und dachte: Jetzt bin ich hier so allein, wo sind meine Leute, wo ist mein Team, wo sind meine Spieler, wo sind die Ziele?"

 

Wellenbad der Gefühle macht verschlossen

 

Bereits während der WM 2014, zum Zeitpunkt der großen Euphorie nach dem 7:1 gegen den Gastgeber Brasilien, fühlte Löw diese Einsamkeit: "Es war vielleicht das schönste Spiel meiner Karriere, aber es war für mich als Trainer zu viel!" Dieses "Wellenbad der Gefühle" habe ihn "verschlossener" gemacht, bilanziert Löw: "Das ist der Preis dieses Lebens als Bundestrainer. Ich habe mir natürlich so etwas wie einen Panzer zugelegt. Vor allem, als mir so richtig bewusst wurde, eine Person des öffentlichen Lebens zu sein."

 

Sehnsucht nach Anonymität

 

An manchen Tagen sei das "eine schwere Belastung, da sehne ich mich nach Anonymität. Leider gelingt es mir nicht immer, diesen Panzer im privaten Leben einfach abzulegen". Richtig glücklich, sagt der Bundestrainer, sei er zuletzt ganz am Anfang seiner Trainerlaufbahn gewesen: "So richtig gefreut habe ich mich in den Anfängen meiner Vereinstrainerzeit im ersten Jahr, bei der Amateurmannschaft. Da war die Freude am reinsten."

 

"Ich würde dazu stehen"

 

Erstmals spricht Löw auch über den Umgang mit dem Thema Homosexualität im Fußball. In der Gesellschaft sei die Offenheit vorhanden, sagt Löw, im Fußballmetier weniger: "Obwohl sich schon wahnsinnig viel getan hat, fehlt sie aber vielleicht noch ein bisschen im Stadion." Auf die Frage, ob er sich trotzdem bekennen würde, wenn er selbst homosexuell wäre, antwortet er: "Dann würde ich dazu auch stehen."

 

Löw bedauert, keine Kinder zu haben

 

Bedauern zeigt der Freiburger im Gespräch mit der Zeit darüber, keine Kinder zu haben. "Mit 25, 30 oder 35 Jahren habe ich das noch nicht so gesehen. Da konnte ich es mir vielleicht nicht vorstellen, habe das Thema verdrängt oder weggeschoben. Die letzten zehn Jahre denke ich aber schon immer wieder daran oder darüber nach, wie es gewesen wäre, Kinder zu haben." pm, ots

 

English version

 

In a major interview with the weekly Die Zeit, Joachim Löw speaks for the first time about the burden and emptiness he experienced during his 15 years as national coach.

 

It was terrible, Löw said, to tell veteran players that they were no longer part of the team. "Of course it touches me, very much so. Sometimes I lie awake at night. After all, I'm a human being too!" When asked why he was not really happy about the World Cup title in Brazil, Löw replies, "After the tournament I was not far away from a depressive mood. After every tournament there's an emptiness." The 61-year-old had retired after the World Cup title and rented a house in Sardinia. "I sat there and thought: now I'm so alone here, where are my people, where is my team, where are my players, where are the goals?"

 

Wave bath of emotions makes closed

 

Löw already felt this loneliness during the 2014 World Cup, at the time of the great euphoria after the 7-1 win over the hosts Brazil: "It was perhaps the most beautiful game of my career, but it was too much for me as a coach!" This "wave bath of emotions" made him "more closed off", Löw sums up: "That is the price of this life as national coach. Of course, I have acquired something like a shell. Especially when I became really aware of being a public figure."

 

Longing for anonymity

 

Some days this is "a heavy burden, I long for anonymity. Unfortunately, I don't always manage to simply shed this armour in my private life." The last time he was really happy, says the national coach, was at the very beginning of his coaching career: "I was really happy at the beginning of my time as a club coach in the first year, with the amateur team. That's when the joy was purest."

 

"I would stand by it"

 

For the first time, Löw also talks about dealing with the topic of homosexuality in football. There is openness in society, Löw says, but less so in the football profession: "Although a lot has already happened, it is perhaps still a bit lacking in the stadium." Asked if he would still come out if he were homosexual himself, he replies: "Then I would also stand by it."

 

Löw regrets not having children

 

In an interview with Die Zeit, the Freiburg native expressed regret about not having children. "When I was 25, 30 or 35, I didn't see it that way. Maybe I couldn't imagine it then, I repressed the subject or pushed it away. But the last ten years I've been thinking about it or thinking about what it would have been like to have children." pm, ots, mei