Rente mit 68: Mehr einzahlen und weniger rausbekommen

Neue tiefgreifende Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung stoßen bei den Gewerkschaften auf scharfe Kritik. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium wolle "Renten drastisch kürzen, Sozialstaat abbauen und Alterssicherung privatisieren; all das, um Arbeitgeber massiv zu entlasten".

 

Der Beirat hatte zuvor in einem Gutachten für längeres Arbeiten im Alter und eine Begrenzung der Rentenerhöhungen plädiert. Die Wissenschaftler begründen dies unter anderem mit der bevorstehenden Verrentung geburtenstarker Jahrgänge und einem drohenden "Finanzierungsschock". Mit Blick auf Rentenniveau und Beitragssätze warnen sie davor, an Haltelinien in der Rentenversicherung festzuhalten. Sie betonen: "Bei einem Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent und einem Maximalbeitragssatz von 20 Prozent müssten im Jahr 2045 zusätzliche Bundesmittel im Umfang von weiteren 23 Prozent des Bundeshaushalts aufgebracht werden. Dann würde mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts in die Rente fließen."

 

Alles über die Rente

https://bit.ly/3vZarHU - Der Blog Politics & Economics

 

Keine wissenschaftliche Beratung, sondern politische Propaganda

 

Piel betonte, auf der Basis eines fiktiven Rechtsstands den bevorstehenden Ruin des Staates zu verkünden, um dann damit einschneidende Reformen zu begründen, sei keine wissenschaftlich fundierte Beratung, sondern politische Propaganda. "Aus diesem schrägen Blickwinkel sind Betroffene selbst schuld, wenn die Rente nicht reicht: Sie hätten ja mehr privat vorsorgen können. Dass rund 40 Prozent der deutschen Haushalte deshalb nicht sparen können, weil der Monat zumeist länger währt als das Geld, wird im Elfenbeinturm ausgeblendet."

 

"Mehr einbezahlen und weniger rauskommen"

 

Die Gewerkschafterin kritisierte außerdem, Altersgrenzen jährlich um gut einen Monat anzuheben bedeute für Jüngere: "Mehr einzahlen und weniger rausbekommen." Auch würde nach den Worten von Piel die Zahl der Arbeitslosen und Kranken vor Renteneintritt steigen, weil viele gar nicht länger arbeiten könnten. "Statt bei der Rente fallen die Kosten dann bloß an anderer Stelle im Sozialsystem an."

 

Warnung vor dem "Nachtwächterstaat"

 

Piel warnte außerdem vor einem "Nachtwächterstaat", der den Erwerbstätigen nur noch eine viel zu niedrige Basisrente gewährt und alle darüber hinaus gehende notwendige Absicherungen der privaten Versicherungswirtschaft als Geschäftsmodell anbiete. "Die Renditen solcher Politik würden Reiche und Unternehmen einsammeln. Das Nachsehen hätten die Erwerbstätigen und Rentnerinnen und Rentner." pm, ots